Jahrmarkt der Eitelkeit
gehabt hatte und der mit einem Teil von Lady Southdowns persönlicher Habe nach Queen's Crawley gebracht worden war. Lady Jane ging stets neben dem Alten her, und sie war ganz offensichtlich sein Liebling. Wenn sie hereinkam, nickte er ihr vielmals zu, lächelte, und wenn sie sich wieder entfernte, stieß er unartikulierte, flehende Klagetöne aus. Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, weinte und schluchzte er – worauf sich Hesters Gesicht und Verhalten – in Anwesenheit ihrer Herrin stets sanft und gütig – sofort änderte. Sie schnitt ihm Gesichter, ballte die Faust und schrie: »Halt den Mund, du dummer alter Narr«, dann rollte sie seinen Stuhl vom Feuer weg, in das er so gern blickte, worauf er nur noch mehr weinte. Denn das war alles, was nach mehr als siebzig Jahren List und Kampf, Trinken und Ränkeschmieden, Sünde und Selbstsucht übriggeblieben war – ein weinerlicher idiotischer Alter, der wie ein kleines Kind ins Bett gebracht und herausgenommen und gewaschen und gefüttert werden mußte!
Schließlich kam ein Tag, an dem die Geschäfte der Wärterin ihren Abschluß fanden. Eines frühen Morgens, als Pitt Crawley im Studierzimmer über seinen Rechnungsbüchern saß, klopfte es an die Tür, und Hester trat mit einem Knicks herein und sagte:
»Bitte schön, Sir Pitt, Sir Pitt ist heute morgen gestorben, Sir Pitt. Ich war gerade beim Brotrösten, Sir Pitt, zu seinem Haferbrei, Sir Pitt, den er jeden morgen pünktlich um sechs bekam, Sir Pitt, und – da war es mir, als wenn ich's stöhnen hörte, Sir Pitt – und – und – und ...« Sie knickste von neuem.
Weshalb wurde Pitts bleiches Gesicht plötzlich so rot? War es, weil er endlich Sir Pitt war mit einem Sitz im Parlament und ihm vielleicht künftige Ehrungen in Aussicht standen? Ich werde jetzt den Besitz mit dem Bargeld entlasten, dachte er und überschlug schnell die Hypotheken und die Verbesserungen, welche er anbringen würde. Er hatte das Geld seiner Tante nicht eher anwenden wollen, damit seine Ausgaben nicht umsonst gewesen wären, falls Sir Pitt sich wieder erholt hätte.
Im Schloß und im Pfarrhaus wurden alle Vorhänge herabgelassen, die Kirchenglocke läutete, und die Kanzel wurde schwarz verhängt; Bute Crawley ging nicht zu einer Jagdpartie, sondern ritt zu einem ruhigen Essen nach Fuddleston, wo man sich bei Portwein über seinen verstorbenen Bruder und den jungen Sir Pitt unterhielt. Miss Betsy, die sich inzwischen mit einem Sattler in Mudbury verheiratet hatte, weinte von Herzen. Mr. Glauber, der Arzt, kam mit den besten Empfehlungen und erkundigte sich nach der Gesundheit der Damen. Man sprach über den Todesfall in Mudbury und im »Wappen Crawleys«, dessen Wirt sich seit kurzem mit dem Pfarrer ausgesöhnt hatte; es war bekannt geworden, daß dieser gelegentlich die Gaststube betrat und Mr. Horrocks' Süßbier probierte.
»Soll ich deinem Bruder schreiben – oder tust du es?« fragte Lady Jane ihren Gatten, Sir Pitt.
»Ich natürlich werde ihm schreiben«, sagte Sir Pitt, »und ihn zur Beerdigung einladen; das gehört sich so.«
»Und – und – Mrs. Rawdon«, schlug Lady Jane schüchtern vor.
»Jane!« sagte Lady Southdown. »Wie kannst du nur daran denken?«
»Mrs. Rawdon muß natürlich auch eingeladen werden«, sagte Sir Pitt entschlossen.
»Nicht, solange ich im Hause bin!« rief Lady Southdown.
»Ich möchte Sie bitten, daran zu denken, meine Gnädigste, daß ich das Familienoberhaupt bin«, erwiderte Sir Pitt. »Bitte, Lady Jane, sei so gut, einen Brief an Mrs. Rawdon Crawley zu schreiben und um ihr Erscheinen bei diesem traurigen Ereignis zu bitten.«
»Jane, ich verbiete dir, die Feder zu ergreifen!« schrie die Gräfin.
»Ich glaube, ich bin das Familienoberhaupt«, wiederholte Sir Pitt, »und wie sehr ich auch jeden Umstand bedauern würde, der Sie, meine Gnädige, dazu bringen sollte, dies Haus zu verlassen, so muß ich doch fortfahren, nach meinem Ermessen darin zu herrschen.«
Lady Southdown erhob sich mit der Würde der Siddons 1 als Lady Macbeth 2 und befahl, ihren Wagen anspannen zu lassen. Wenn ihr Sohn und ihre Tochter sie aus dem Hause jagten, so würde sie ihren Kummer irgendwo in der Einsamkeit verbergen und darum beten, daß die beiden zu besseren Gedanken bekehrt würden.
»Wir jagen dich doch nicht aus dem Haus, Mama«, sagte die schüchterne Lady Jane flehend.
»Ihr ladet eine Gesellschaft ein, der keine christliche Dame begegnen sollte, und ich will morgen früh meine
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