Jake Djones und die Huter der Zeit
sie.
Mina Schlitz betrat den Raum, gefolgt von ihrer Garde.
Jake war überrascht: Sie war noch ein Teenager, etwa in Jakes Alter, hatte dunkle Augen, rabenschwarzes, glattes Haar â und eine Ausstrahlung, zu der ihm nur die Worte »arrogant« und »eiskalt« einfielen. Sie trug eine Seidenbluse mit plissierten Ãrmeln, darüber ein eng sitzendes Wams. Ein samtenes Barett krönte ihr alabasterweiÃes Gesicht, und um den Hals trug sie eine Perle, die an einem schmucklosen Stück scharlachroten Fadens hing. Um ihren Unterarm wand sich eine dünne, auf dem Rücken rot gezeichnete Schlange, die Mina mit blassen Fingern zärtlich streichelte.
»Guten Tag, Miss Schlitz ⦠hattet Ihr eine angenehme Reise?«, murmelte von Bliecke und neigte das Haupt.
Das Mädchen ignorierte seine Frage und küsste die Schlange auf den Kopf, um sie dann behutsam in einen kleinen, an ihrem Gürtel befestigten Käfig zu legen. Keiner wagte auch nur einen Mucks zu machen, während ihre kalten Augen durch den Raum schweiften.
»Macht eure Pläne fertig«, wies sie die Architekten mit einer Stimme wie Säure an und wandte sich dann an von Bliecke. Sie hatte einen leichten deutschen Akzent, aber ansonsten war ihr Englisch makellos: »Kommandant, die gefangen genommenen Agenten sind sofort nach Schloss Schwarzheim zu überstellen.«
Jake spitzte die Ohren. Damit konnten nur Topaz und die anderen gemeint sein. Die Nachricht, dass sie noch am Leben waren, beruhigte ihn ein wenig.
» Und Doktor Talisman Kant, ich dach â¦Â«, antwortete von Bliecke auf Deutsch, aber Mina fiel ihm ins Wort.
»Englisch!«, unterbrach sie barsch. »Englisch ist die königliche Sprache.«
Seufzend gehorchte von Bliecke. »Und Doktor Kant? Das Treffen in Bassano?«, fragte er.
»Eure Befehle wurden geändert. Ich werde Doktor Kant treffen.« Mina musterte ihre Leibgarde. »Diese Soldaten werden mich begleiten. Nach dem Treffen werde ich mich ebenfalls auf Schloss Schwarzheim einfinden. Das wäre alles.«
Mit einem finsteren Blick wandte von Bliecke sich ab, packte sein Waffenarsenal ein, pfiff nach Felson und ging.
Jakes Puls raste, als er von Bliecke den Raum verlassen sah. Nichts hätte er lieber getan, als ihm zu folgen. SchlieÃlich hatte von Bliecke Befehl, »die gefangen genommenen Agenten sofort nach Schloss Schwarzheim zu überstellen«, und hätte ihn somit direkt zu Topaz und den anderen geführt. Aber Jake musste bleiben wo er war und versuchte stattdessen, sich die wichtigen Details der kurzen Unterhaltung einzuprägen: Bassano, Doktor Talisman Kant, Schloss Schwarzheim â¦, wiederholte er in Gedanken.
Von Bliecke war gerade bei der Tür angelangt, als Mina erneut das Wort an ihn richtete: »Um Euer selbst willen hoffe ich, dass Euch keine weiteren Fehler mehr unterlaufen werden.«
Wie vom Blitz getroffen, hielt von Bliecke inne.
»Vier Jahre minutiöser Vorbereitung liegen hinter uns«, sagte Mina mit leiser, scharfer Stimme. »Es bleiben nur noch vier weitere Tage bis zur Apokalypse. Ein Versagen kommt nicht infrage.«
Von Bliecke nickte steif und trat hinaus.
Jake wurde blass. Von allen unheilverkündenden Andeutungen, die er seit seiner Ankunft in Venedig gehört hatte, war das ganz sicher die beunruhigendste. Noch vier Tage bis zur Apokalypse , hatte sie gesagt. Welche Apokalypse? Was war es, das sie vier Jahre lang minutiös vorbereitet hatten?
»SchlieÃt eure Arbeit ab!«, befahl Mina. Sie schritt die Tischreihen entlang, sammelte die Pläne der Architekten ein und verstaute sie in einer groÃen Mappe. Dann läutete sie mit einer Glocke, woraufhin zwölf weitere Soldaten in den Raum marschierten.
»Achtung!«, rief sie, und die ganze Gruppe, einschlieÃlich Jake, stellte sich in einer Reihe auf. »Wir nehmen den Veneto-Tunnel. Wartet bei den Kutschen auf mich.«
Die Soldaten wandten sich um und marschierten in einer Reihe zu dem Gewölbe mit dem gigantischen Krater und der Wendeltreppe, die hinunter in die Tiefe führte. Jake reihte sich ein. Mit wehenden Umhängen stiegen sie im trommelnden Gleichschritt hinab in eine unterirdische Welt. Je tiefer sie gelangten, desto dunkler wurde es. Auch die Luft wurde stetig wärmer und das Moos an der Wand des Bohrlochs immer feuchter, und Jake fragte sich, wie viel tiefer sie noch so hinabsteigen würden. Er warf einen kurzen
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