Jake Djones und die Huter der Zeit
an; Topaz machte es sich unterdessen hinten bequem. Dann lieà Charlie die Leinen schnalzen, und sie trotteten davon in die Dunkelheit.
Im spärlichen Licht der Laternen ging Topaz noch einmal die Gästeliste der Superia-Konferenz durch, den Mund ständig halb geöffnet, so sehr musste sie gähnen.
»Ich weiÃ, dass du offiziell die Leiterin dieser Mission bist«, sagte Charlie über die Schulter, »aber ich muss jetzt wirklich darauf bestehen, dass du dich endlich einmal ausruhst. Du hast seit zwei Tagen nicht eine Minute geschlafen.«
»Ich will jetzt nicht schlafen. Ich bin hellwach«, widersprach Topaz, auch wenn ihre schweren Augenlider etwas ganz anderes sagten. » Dâaccord â zehn Minuten«, stimmte sie schlieÃlich zu. Sie legte die Liste beiseite und häufte etwas Stroh als Kopfkissen auf. »Nur ein kleines Nickerchen.« Mit diesen Worten streckte sie sich aus und fiel sofort in tiefen Schlaf.
Mr Drake, der ebenfalls sehr erschöpft zu sein schien, erhob sich von Charlies Schulter in die Luft, landete neben Topaz im Stroh, plusterte sein Gefieder auf, steckte den Schnabel unter den Flügel und schloss die Augen.
Die Nacht war mild. Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinandergesessen hatten, räusperte sich Charlie und flüsterte: »Wenn Topaz dabei ist, sprechen wir normalerweise nicht über Zeldt und seine Familie. Wir alle haben genug Grund, sie zu hassen, aber Topaz noch viel mehr. Wegen ihrer Eltern.«
»Haben sie ihre Familie umgebracht?«, fragte Jake gerade heraus.
»Schhhh â¦Â«, machte Charlie und warf einen kurzen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass Topaz immer noch schlief.
»Entschuldigung«, erwiderte Jake flüsternd.
Charlie überlegte, wie er die Frage am besten beantworten sollte. »Sie haben sie nicht direkt umgebracht, aber so etwas Ãhnliches«, sagte er schlieÃlich.
Jake nickte ernst.
»Die Zeldt-Dynastie reicht zurück bis zu den Anfängen der Geschichtshüter«, sprach Charlie weiter, »noch bevor sie sich überhaupt Hüter nannten. Rasmus Ambrosius Zeldt wurde in der nördlichen Eiswildnis Schwedens geboren; er war ein Zeitgenosse von Sejanus Poppoloe, der das Atomium entdeckt und die ersten Horizontpunkte kartografiert hat. Eine tiefe Freundschaft verband die beiden, sie waren die Visionäre der damaligen Wissenschaft und mutige Entdecker. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte zu erforschen, sie zu verstehen und auf keinen Fall zu verändern. Rasmus jedoch wurde immer labiler.«
»Labil?«
»Geistig labil«, erklärte Charlie düster. »Etwa zu dieser Zeit â während einer Englandreise ins siebzehnte Jahrhundert, als dort gerade der Bürgerkrieg tobte â lernte er seine Frau Matilda kennen. Sie ist übrigens auch der Grund, warum die Zeldts immer noch Englisch sprechen. Machttrunken von seiner Fähigkeit, durch die Zeit zu reisen, verfiel Rasmus dem Wahnsinn und trennte sich von Sejanus und den anderen Beobachtern, die sich der Gesellschaft angeschlossen hatten, und nannte sich fortan König. Nicht König von Schweden oder Europa oder der ganzen Welt, nein, König der Zeit . Damals war das noch eher Geschwätz und Angeberei. Fünf Generationen vergingen, und die selbst ernannte âºHerrscherfamilieâ¹ geisterte durch die Zeit wie ein drohender Schatten, dann erblickte König Sigvard das Licht der Welt, und seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war.«
»Sigvard?«
»Der Vater all unserer Sorgen«, erwiderte Charlie geheimnisvoll.
»Was hat er angestellt?«, fragte Jake.
Charlie zögerte einen Moment, bevor er weitersprach: »Er hat der Geschichte den Krieg erklärt.«
Bei diesen Worten lief Jake ein kalter Schauer über den Rücken.
»Er schwor sich, die Welt zu verändern, sie in den Abgrund zu stürzen, im Dunkel zu versenken. Um das Handwerkszeug für sein teuflisches Vorhaben zu erlernen, reiste er quer durch die Menschheitsgeschichte, zu allen groÃen Verbrechen, die je begangen wurden. Er hat alles aus erster Reihe mitverfolgt: die spanische Inquisition, die Hexenprozesse von Salem, die Verfolgung von Juden und Christen, die Hugenottenkriege, die mörderischen Umtriebe der Phansigars im vorkolonialen Indien, die Eroberungskriege der Araber, die Kreuzzüge ⦠König Sigvard hat alles aus nächster Nähe beobachtet,
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