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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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daß solcher Aufwand getrieben wird, wenn er selbst ihn auch lächerlich findet, er ist jeden Abend ohnehin wie gerädert, er ist über die Sechzig und schneeweiß, er hat wirklich andere Sorgen, aber geh und mach was. Zuerst hat nur der Schrank das Zimmer geteilt, Mischa schien er ausreichend und Fajngold schon lange, doch Rosa hat er nicht genügt. Sie hat zu Mischa gesagt, wenn Fajngold auch taubstumm ist, so ist er doch nicht blind, und der Mond scheint so freundlich ins Zimmer, und der Schrank ist auf jeden Fall zu schmal. Mischa hat leichten Herzens das Tuch vom Fenster genommen und es neben den Schrank an die Decke geheftet, der Mond konnte jetzt noch freundlicher hereinscheinen, aber nicht für Fajngold, Hauptsache Rosa war beruhigt.
    Fajngold ist so taub und so stumm wie ich oder Kowalski oder irgendeiner, der mit seinen Ohren und seiner Zunge etwas anzufangen weiß, doch für Rosa ist er taub und stumm wie eine Muschel. Mischa war sich von der ersten Sekunde an darüber im klaren, daß Rosa keinen Schritt in die Nähe seines Bettes setzen würde, weil da noch ein Bett steht, mit einem fremden Mann darin, und die verständnisvollen Wirtinnen und die verschwiegenen Pensionen mit den Portiers, die diskret zur Seite blicken und keine Fragen stellen, die liegen gerade in einer anderen Stadt. Er wußte genau, daß sie unter diesen Umständen nur nein sagen konnte, sie ist nicht so ein Mädchen, darüber braucht man gar nicht erst zu reden, und er selbst ist auch nicht so ein Bursche. Doch wenn man den Verzicht als die letzte aller Möglichkeiten in Betracht zieht, dann bleibt immer noch viel Zeit zum Grübeln, das kann ihm keiner verdenken, und Mischa hat es ausgiebig getan.
    An einem gesegneten Abend hat er wach im Bett gelegen und an Rosa gedacht, Fajngold kurz vor dem Einschlafen im anderen, und Mischa hat angefangen, ihm von Rosa zu erzählen. Wer sie ist, und wie sie ist, und wie sie aussieht, und wie er sie liebt, und wie sie ihn liebt, und Fajngold hat bloß geseufzt. Da hat ihm Mischa seinen brennenden Wunsch gestanden, Rosa für eine Nacht zu sich zu nehmen.
    »Bitte«, hat Fajngold geantwortet, ohne tiefer in das Problem einzudringen. »Ich habe nichts dagegen. Aber jetzt laß mich endlich schlafen.«
    Mischa hat ihn nicht schlafen lassen, er hat Fajngold erklärt, daß es gar nicht darum geht, ob er, Fajngold, damit einverstanden ist, daß es nur darum geht, ob Rosa einverstanden ist. Auch daß er ihr noch nichts von ihm gesagt hat, er wagt es kaum, und wenn uns da nichts einfällt, wird wohl kaum etwas aus der Sache werden.
    Fajngold hat das Licht angemacht und ihn lange mit weiten Augen angesehen.
    »Das ist doch nicht dein Ernst?« hat er erschrocken geflüstert.
    »Du kannst doch nicht von mir verlangen, daß ich mich solange auf der Straße rumtreibe. Hast du die Gesetze vergessen?«
    Aber Mischa hat das nicht verlangt, dieser Gedanke ist ihm nie gekommen, er hatte auch nicht die Gesetze vergessen. Er hat bloß nach einem Ausweg gesucht, und der war noch nirgends zu sehen. Fajngold hat das Licht wieder gelöscht, bald ist er eingeschlafen, nicht uns muß etwas einfallen, sondern Mischa ganz alleine.
    Nach einer Stunde oder zwei hat Mischa Fajngold geweckt, hat ruhig die Beschimpfungen über sich ergehen lassen, und dann hat er ihm seinen Einfall vorgetragen. Wie gesagt, Rosa wird niemals über Nacht zu ihm kommen, wenn sie erfährt, daß noch ein zweiter Mann im Zimmer ist, egal ob du zwanzig bist oder hundert. Wenn er es ihr verschweigt, dann wird sie vielleicht kommen, dann wird sie Fajngold sehen, sie wird wieder gehen und es Mischa nie verzeihen. Wie man es dreht und wendet, die einzige Möglichkeit bleibt, daß Fajngold im Zimmer verweilt und doch so gut wie nicht da ist.
    »Soll ich mich vielleicht verstecken?« hat Fajngold müde gefragt. »Soll ich mich vielleicht nächtelang unter das Bett legen oder in den Schrank?«
    »Ich werde ihr sagen, daß du taubstumm bist«, hat Mischa verkündet.
    Fajngold wollte nicht, er hat sich tagelang mit Händen und Füßen gewehrt, aber schließlich ist es Mischa gelungen, ihn von der Dringlichkeit zu überzeugen. Sehen kann man nachts sowieso nicht viel, und wenn sie dazu noch sicher ist, daß du auch nichts hören kannst, dann müßte es sich einrichten lassen.
    Mit buntgemischten Gefühlen hat sich Fajngold also einverstanden erklärt, wenn dir soviel daran liegt, und seitdem ist er für Rosa taub und stumm wie eine Muschel.
    Für Mischa hat es

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