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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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einer richtigen Bühne, unser Theater wird bestimmt neu aufgemacht, ich werde dich nach jeder Vorstellung abholen, neben der Anschlagtafel an der Pförtnerloge werde ich auf dich warten.
    Stell dir das bloß vor, Felix!«
    Er antwortet nicht. Er steht unter ihren Händen auf und geht zum Schrank. Vielleicht sieht er aus wie ein Mann, der einen wichtigen Entschluß gefaßt hat und keine Zeit mehr verlieren will, ihn auszuführen.
    Frankfurter öffnet den Schrank, nimmt eine Tasse oder ein Kästchen heraus und findet darin den Schlüssel.
    »Was willst du im Keller?« fragt sie.
    Er wiegt den Schlüssel in der Hand, als ob noch etwas zu bedenken wäre, die Frage nach dem Zeitpunkt womöglich, aber je eher, desto besser, nichts gilt mehr. Vielleicht sagt er ihr jetzt schon, was er vorhat, noch im Zimmer weiht er sie ein, aber das ist unwahrscheinlich, er hat sie nie groß um ihre Meinung gebeten. Außerdem ist ganz und gar unwichtig, wann er es ihr sagt, geändert wird dadurch nichts, der Schlüssel ist schon in seiner Tasche. Nehmen wir also an, er schließt wortlos den Schrank, geht zur Tür, dreht sich dort zu ihr um und sagt nur:
    »Komm.«
    Sie gehen in den Keller.
    Armeleutehäuser, in die man früher nie den Fuß gesetzt hätte, die Holzstufen sind ausgetreten, sie knarren wie verrückt, aber er geht dicht an der Wand und auf Zehenspitzen.
    Sie folgt ihm beunruhigt, auch leise, auch auf Zehenspitzen, sie weiß nicht warum, er tut es eben auch. Sie ist ihm bisher immer gefolgt, ohne zu fragen, sie hat oft nur erraten, was zu tun sei, es war nicht immer gut.
    »Willst du mir jetzt nicht sagen, was wir hier machen?«
    »Pssst!«
    Sie gehen den engen Kellergang entlang, hier kann man schon mit ganzer Sohle auftreten, der vorletzte Keller rechts ist ihrer.
    Frankfurter schließt das Vorhängeschloß auf, öffnet die Drahttür mit dem eisernen Rahmen, die nicht brennbar ist und darum noch vorhanden. Er geht hinein, sie folgt ihm zögernd, er schließt hinter ihr die durchsichtige Tür, und da sind sie nun.
    Frankfurter ist ein vorsichtiger Mann, er sucht sich ein Stück Sacktuch oder einen Sack mit Löchern, den er zerreißt, oder, wenn kein Sack da ist, er zieht die Jacke aus und hängt sie vor die Tür, für alle Fälle. Ich denke mir, daß er für einen Augenblick den Finger auf den Mund legt, die Augen schließt und lauscht, aber nichts ist zu hören. Dann macht er sich an dem kleinen Berg zu schaffen, der eine Ecke des Raumes ausfüllt, ein kleiner Berg von unnützem Zeug, ein Hügelchen aus Erinnerungen.
    Damals, als die Benachrichtigung gekommen ist, haben sie zwei Tage zusammengesessen und überlegt, was sie mitnehmen sollen, bis auf die verbotenen Dinge natürlich. Die Lage war sehr ernst, ohne jeden Zweifel, sie haben nicht erwartet, daß es ein Paradies wird, aber Genaues gewußt hat keiner. Frau Frankfurter hat praktisch gedacht, zu praktisch für ihn, nur an Bettzeug und Geschirr und an Sachen zum Anziehen, aber er wollte sich von vielem, das sie für überflüssig gehalten hat, nicht trennen. Nicht von der Trommel, auf der er in einer überaus gelungenen Aufführung die Ankunft des Thronfolgers von Spanien angekündigt hat, und nicht von den Ballettschuhen Rosas, als sie fünf Jahre alt war, und die heute noch fast ungetragen sind, und nicht von dem Album mit den sorgfältig eingeklebten Rezensionen, in denen sein Name erwähnt und rot unterstrichen ist. Sag mir einen Grund, warum ich mich davon trennen soll, das Leben ist mehr als nur fressen und schlafen.
    Das Transportproblem? Er hat in aller Eile einen Handwagen gekauft, für irrsinniges Geld, denn über Nacht sind damals die Preise für Handwagen enorm angezogen, und jetzt füllt der kleine Berg eine Ecke des Kellers.
    Er legt Stück für Stück zur Seite, seine Frau sieht ihm stumm zu, schon wütend neugierig, was sucht er, vielleicht betrachtet er für einen Moment das gerahmte Bild mit allen Angehörigen des Theaters, auf dem er dick am rechten Rand steht, zwischen Salzer und Strelezki, der damals noch nicht so bekannt war.
    Doch das ist es nicht, was er sucht, wenn er das Bild betrachtet haben sollte, legt er es wieder weg und macht den Berg weiterhin kleiner.
    »Dieser Jakob Heym ist ein Trottel«, sagt er.
    »Warum?«
    »Warum! Warum! Er hat eine Nachricht gehört, wunderbar, aber das ist seine Sache. Eine gute Nachricht, eine sehr gute sogar, dann soll er sich freuen und nicht alle verrückt machen damit.«
    »Ich verstehe dich nicht, Felix«,

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