Jakob der Reiche (German Edition)
großen Stube mit dem Kachelofen Platz genommen hatten. »Du kannst alles Erforderliche einleiten – aber mach’s für einen kleinen Kreis.«
»Ich kenne dich«, meinte Conrad zufrieden lächelnd. »Und ich bin überzeugt, dass du gewiss nicht schlecht gewählt hast.«
»Auch wenn das zutrifft, was du mir noch sagen wolltest?«, fragte Jakob misstrauisch.
Peutinger blieb mitten in seinem mit Büchern vollgestopften Arbeitzimmer stehen.
»Sibylle Artzt ist keine Jungfrau mehr!«, stieß er nach einer Weile hervor.
Für einen Augenblick sahen sich die beiden Männer wortlos an. Jakob schluckte ein-, zweimal, dann presste er die Lippen zusammen, bis sie hart und blutleer wurden.
»Das hättest du mir eher sagen müssen!«, knurrte er wütend. »Aber es ist genauso gut mein Fehler! Wer einen Handel abschließt und sich dabei arglos auf fremde Urteile verlässt, der wird auf jedem Markt der Welt dafür bestraft!«
Er räusperte sich, und seine Hände krallten sich derart hart um die Rückenlehne des geschnitzten Stuhls, dass die Knochen weiß wurden.
»Ich dachte doch, du wüsstest, wem sich Sibylle Artzt vor Jahren schon versprochen hatte.«
Jakob schüttelte den Kopf. »Nein, Conrad«, presste er hervor. »Doch du wirst es mir sagen, wenn du verhindern willst, dass ich mich in deinem Haus vergesse.«
»Es ist der Rehlinger«, erklärte Conrad Peutinger. »Seine Familie wollte nichts mit Sibylle Artzt und ihrer Tochter zu tun haben. Zu laut, zu großmäulig und trotz fünftausend Gulden Mitgift einfach nicht nobel genug.«
»Ach!«, sagte Jakob wieder vollkommen beherrscht. »Und da dachtet ihr euch: Nehmen wir uns den ehrbaren und auch schon etwas trockenen Kaufmann Jakob Fugger als Versorger. Er war ja schon fast Priester, hat nie etwas gehabt mit anderen Weibern und verlangt wahrscheinlich bis auf einen schnellen Erben auch nicht viel von ihr, was sie und ihren Buhlen stören könnte …«
»Nein, Jakob!«, protestierte Conrad Peutinger sofort. »So darfst du das nicht sehen! Die Sache ist doch längst beendet. Nimm einfach an, du würdest eine Witwe heiraten.«
Und plötzlich lachte Jakob leise. »Vielleicht will ich das überhaupt nicht«, sagte er dann. »Vielleicht käme mir sogar entgegen, wenn sich ihr Wohlverhalten dadurch steigern lässt, dass ich den Buhlen dulde.«
»Du meinst … du meinst tatsächlich, dass du sie heiraten und dann nicht bei ihr schlafen willst? Du kannst doch noch immer Nein sagen, und niemand würde dir deswegen gram sein.«
»Zu spät!«, entschied Jakob Fugger. »Ich nehme sie. Und nun, Stadtschreiber, bereite alles vor, was nötig ist. Ich fahre morgen früh nach Innsbruck und komme erst Anfang nächsten Jahres zu meiner Hochzeit wieder.«
Jakob erreichte Innsbruck keinen Tag zu früh. Obwohl er ungern in den Wintermonaten in die Berge ritt, war ihm die kurze Anstrengung immer noch lieber als eine Kutschfahrt auf den glatten Wegen.
Sofort nach seiner Ankunft ließ er der Hofkanzlei die Bitte nach einer Audienz bei Maximilian überbringen. Erstaunt erfuhr er, dass der König noch nicht aus Wien eingetroffen war. Da Jakob nicht tagelang warten wollte, ritt er kurz entschlossen und gegen alle Absichten quer durch die Alpen nach Kärnten weiter.
Die Gegend zwischen Villach und dem Wurzenpass unweit des Wörther Sees war erst vor wenigen Jahren von Ali Pascha und seinen türkischen Reitern erobert worden. Inzwischen aber beherrschte Österreich wieder die Städte und Klöster. Am Schloss bei Arnoldstein an der Gailitz hatte sich für die Gebrüder Fugger in weniger als zwei Jahren ein erfreulich ertragreiches Zentrum für Bergbau, Erzmühlen und Schmelzöfen entwickelt. Das Gebiet, das sie Fuggerau genannt hatten, gehörte ebenso wie Klagenfurt und der Wörther See zum alten, immer noch sehr wichtigen Bischofssitz von Gurk.
Jakob kam an einem Samstagabend an, als sich die Bergleute und Tagelöhner bereits für den sonntäglichen Kirchgang gebadet hatten, um die weitere Nacht wie vorgeschrieben keusch zu verbringen. Er sah sich die Bücher an und merkte sich genau, wie viel Roherz durch die Mühlsteine gegangen war und wie viel ausgeschmolzenes Tiroler Kupfer den Weg nach Venedig genommen hatte. Bereits vor Mitternacht erkannte er, was hier geschah. Während Fuggerau nach wie vor gut und kostengünstig arbeitete, brachen in Venedig und auf den anderen Märkten die Kupferpreise derart dramatisch ein, dass sofort gehandelt werden musste.
Jakob wusste sehr genau, was
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