Jakob der Reiche (German Edition)
von den Patriarchen der anderen Handelshäuser war kaum jemand erschienen. Selbst die engste Familie mit Ulrich, Georg, ihren Frauen und den bereits größeren Kindern benahm sich trotz der lauten Musik und der reichlich aufgetragenen Speisen nicht wie auf einer Hochzeitsfeier, sondern eher wie bei einer Messe.
Bereits lange vor Mitternacht zogen sich Jakob und Sibylle zurück. Sie wurden nur von einigen jungen Mädchen aus der Nachbarschaft begleitet, die als Brautjungfern eingeladen worden waren.
Als Jakob in dieser Nacht zum ersten Mal ihre bloße Haut berührte, war keine Glut zwischen ihnen. Sie bewegte sich kaum, nur ihr Atem ging ein wenig schneller. Sie räusperte sich, dann schien es ihm, als würde sie ihn im Licht der kleinen Kerze zum ersten Mal nicht als den reichen Fugger, sondern als ihren Ehemann mit seinem Namen Jakob ansprechen.
»Ehe du beginnst, muss ich dir etwas sagen«, flüsterte sie. Aber es war weder Scheu noch Scham in ihrer Stimme. Sie klang so unbeteiligt wie eine Novizin, die beim Zählen von Wäscheknöpfen einfach laut sprach.
»Du meinst die Sache mit dem Rehlinger?«
»Ich weiß, dass du es weißt.«
»Dann müssen wir auch nicht mehr davon reden.«
»Aber da war doch noch etwas«, sagte sie. »Ich war, als es begann, ebenso alt wie die arme Anna Laminit, die hier am Pranger stand und dann mit Rutenschlägen aus der Stadt vertrieben wurde.«
»Was soll das heißen?«, fragte er. »Was hat denn diese schamlose Kupplerin und Metze mit Conrad Rehlinger, dir und mir zu tun?«
»Ich war mit Anna Laminit befreundet«, beichtete sie tonlos. »Und um genau zu sein – ich bin es immer noch. Sie ist wie eine Heilige, muss nicht essen und kann nur von Luft und von Gebeten leben.«
»Von Luft und Liebe wolltest du wohl sagen«, schnaubte Jakob abfällig.
»Ich wollte dir etwas ganz anderes sagen«, meinte Sibylle, und ihre Stimme bebte, als müsse sie plötzlich weinen. »Sie war es, die mir vor drei Jahren geholfen hat, als ich von Conrad schwanger ging.«
Jakob spürte, wie eine heiße Welle durch seinen ganzen Körper rann. Er wollte einfach nicht gehört haben, was sie ihm erzählte. Es konnte, durfte nicht sein! Er hatte sich damit abgefunden, dass Sibylle Artzt eine Liebschaft mit Rehlinger hatte. Mehr noch – er wäre sogar einverstanden damit gewesen, dass er sie weiterhin besuchte. Dennoch hätte er von Sibylle unbedingt einen Erben haben wollen. Unter günstigen Bedingungen, wenn sie sich beide für eine kurze Stunde Mühe gaben, hätte es gelingen können.
Hundert Gedanken rasten ihm gleichzeitig durch den Kopf. Was war, wenn Sibylle durch die Engelmacherin Schaden genommen hatte, wenn sie nicht mehr schwanger werden und gebären konnte? Er hatte nie die Absicht gehabt, auch als Laie dem Zölibat zu gehorchen, keine Erben zu bekommen oder keusch zu leben. Es hatte sich nur so ergeben …
Die drohende Kinderlosigkeit erschien ihm plötzlich so entsetzlich, dass ihm der Schweiß aus allen Poren brach. Kein Alptraum, kein Fegefeuer und keine Strafe Gottes konnten schlimmer sein als dieses nachträgliche ungeheure Eingeständnis, das dieses Weib neben ihm in ihrer Hochzeitsnacht beichtete. Für einen kurzen Augenblick schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er noch alles annullieren könnte. Die Ehe war noch nicht vollzogen.
Aber die Annullierung der nicht vollzogenen Ehe nützte ihm nichts, selbst wenn Conrad ihm bei der Anfechtung im Vatikan zur Seite stand. Jakob spürte, wie er in seiner Ohnmacht immer zorniger wurde. Gegen jede Finte, jeden schlechten Handel und gegen jede noch so fein gesponnene Intrige zwischen Venedig und Antwerpen, Frankfurt oder Innsbruck hätte er Maßnahmen erdenken können. Aber hier kochten in ihm nur Wut und Scham immer höher.
Sie hatten ihn um sein erstes Kind betrogen, die klug und rein, puppenhaft und unnahbar wirkende Sibylle Arzt und ihre alles heranraffende Mutter Sibylla. Und wie, zum Teufel, passte Rehlinger als Buhle von Sibylle in das ganze Spiel? Was wollten sie?
Jakobs Zorn erfüllte ihn so sehr, dass er alles vergaß, was er in seiner Jugend in Herrieden bei den Kanonikern und später in Venedig und bei seinen vielen Verhandlungen mit anderen Kaufleuten gelernt hatte. Er verlor die Selbstbeherrschung. Mit einem Aufschrei warf er sich über die junge Frau an seiner Seite, riss ihr das Nachtgewand von dem jungen und schon befleckten Körper, dann drang er in sie ein, als würde er den Vertrag der Ehe mit seinem
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