Jakob der Reiche (German Edition)
bestanden hätte. Denn ganz so kaufmännisch korrekt, wie er und seine Brüder es gern gesehen hätten, war die Angelegenheit dann doch nicht verlaufen. Noch immer zürnten alle Konkurrenten, und die Patrizier in Augsburg verweigerten den reich gewordenen ehemaligen Webern noch immer die höchsten Weihen der Gesellschaft durch die Aufnahme in die Geschlechterstube. Ihr Wappen mit den Lilien tauchte in keinem der offiziell bestellten Gemälde für die Stadt auf.
»Eigentlich macht der Papst nichts anderes als unsere weltlichen Herrscher«, meinte Conrad Peutinger lächelnd. »Durch die Verheiratung seiner Tochter, die ja schon zweimal einen Ehemann verloren hat, schiebt er erneut einen Riegel zwischen den Apennin und die Republik von San Marco. Das Herzogtum Ferrara gehört auch so zum Kirchenstaat. Aber indem er Lucrezia in ihrer dritten Ehe mit Herzog Alfons I. d’Este verbindet, erspart sich der Heilige Vater einige Kosten für die Armee seines draufgängerischen Sohnes Cesare Borgia.«
»Wir können von Glück reden, dass wir hier nördlich der Alpen nicht mit den gleichen chaotischen Zuständen zu kämpfen haben«, seufzte Jakob. Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit nahm er einen tiefen Schluck Tokaier.
»Ich würde mich an deiner Stelle nicht zu früh freuen«, warnte Peutinger. »So wie der König diesmal mit Ach und Krach aus dem Schweizer Abenteuer hervorgegangen ist, muss ihm das nicht immer gelingen. Er hat einfach zu wenig Geld, zu wenige Landsknechte, und auch die sind noch zu schlecht ausgerüstet, wenn es zu neuen Aufständen kommen sollte.«
»Du meinst den Bundschuh? Die Bauern, die von den Raubrittern gelernt haben und sich jetzt gegen ihre eigenen Herren erheben?«
»Ich meine den Bundschuh«, bestätigte Conrad Peutinger. »Niemand soll unterschätzen, was sich überall im Land anbahnt. Es sind nicht nur die Herren, die ihre Knechte bis aufs Blut ausquetschen. Auch aus den Städten kommen Ideen von Freiheit und Gerechtigkeit, die den Frieden selbst in den einfachsten Hütten vergiften.«
»Machen wir uns doch nichts vor, Conrad«, sagte Jakob. »Ich war immer der Meinung, dass nur derjenige gut arbeitet, der genug zu essen hat, anständig gekleidet ist und auch noch unter trockenem Dach wohnen kann. Am liebsten würde ich für alle, die bei mir arbeiten, ganze Städte bauen, damit sie derartige Sorgen nicht mehr haben und ihre ganze Kraft auf das richten können, was mir Gewinn bringt. Das gilt für unsere Kontore ebenso wie für die Gesellen in den Gruben und in den Metallhütten. Aber was hier überall in den Dörfern passiert, ist längst kein rechtmäßiges und gottgewolltes Verhältnis zwischen Herren und Knechten mehr, sondern brutale Sklaverei.«
»Sieh einer an!«, meinte Conrad Peutinger schmunzelnd. »Schlägt jetzt, nach so vielen Jahren, doch noch der Priester und Prediger bei dir durch? Ich dachte, das wäre inzwischen vorbei.«
Jakob knurrte nur. Mit einer abweisenden Handbewegung beendete er das Thema. »Ich bin eigentlich aus einem ganz anderen Grund heute Abend zu dir gekommen«, sagte er schließlich. »Es ist der Jubelablass aus dem vergangenen Jahr, der noch immer zu einem großen Teil in unseren Faktoreien liegt. Ich weiß, dass die Gelder dem Vatikan zustehen. Aber mir bleibt davon doch so viel an den Fingern hängen, dass ich mir überlegen muss, was ich damit anfangen kann.«
»Du hast zu viel Geld?«
»Nie zu viel, Conrad. Aber ich kann mit den Erträgen aus dem Jubelablass zum Jahr 1500 nach der Geburt des Herrn nicht einfach auf die Märkte gehen oder Land und Bergwerke einkaufen. Man würde sofort tuscheln, woher das Geld wohl stammen könnte. Und Gerüchte sind noch übler als eine fadenscheinige Erklärung.«
Peutinger rieb mit dem Zeigefinger an seiner Nase und dachte nach. Jakob ließ ihm viel Zeit. Abwechselnd nahmen die beiden Männer schweigend einen Schluck Wein, während der große Kachelofen in Peutingers Arbeitszimmer sanfte Wärme ausstrahlte. Draußen rieselte der Schnee, und auf den Straßen Augsburgs waren bereits die Nachtwächter mit ihren Laternen unterwegs.
»Ich sehe eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie du Gewinne aus dem Ablasshandel sinnvoll anlegen und zugleich gut verbergen kannst«, meinte Conrad Peutinger versonnen. »Zum Ersten wäre das der Handel mit Schwarzhäutigen, die man von Afrika zur Arbeit in die Neue Welt schaffen will. Sie kosten kaum mehr als den Schiffstransport und einfachste Verpflegung für ein paar Wochen.
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