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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition)
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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Gondoliere hatte sich mit roten Strümpfen geschmückt. Die Zuschauer am Ufer klatschten bei allem, was ihnen gefiel, Beifall – ganz so, als würde ihnen eine Theateraufführung mit ineinander schwimmenden Bildern gezeigt.
    In dieser Nacht konnte Jakob lange nicht einschlafen. Die Fenster zum Canal Grande standen weit offen. Hauchdünne, bis zum Boden reichende Seidentücher hielten zwar die meisten Mücken fern, aber trotzdem schwirrten einige ins Zimmer. Sie waren klein und selbst im Kerzenlicht kaum sichtbar, aber sie stachen schmerzhafter als die schwäbischen Schnaken.
    Am nächsten Morgen wachte er schon früh durch die Schreie der Männer auf, die draußen auf den Kanälen mit flachen Booten Abfalltonnen aus den Häusern und Palazzi holten. Es stank entsetzlich und viel schlimmer als an den durch Augsburg strömenden Lechkanälen, obwohl auch diese bei warmem Wetter nach allerlei Unrat dufteten.
    Nach einem kurzen Morgenimbiss wurde er von Lukas Fugger vom Reh abgeholt.
    »Ulrich hat es schon bei Sonnenaufgang nicht mehr im Bett gehalten«, spottete er. »Er sitzt bereits über den Büchern in einer kleinen Kammer des Fondaco. Er ist eben unbelehrbar in seiner alten Händlerart und Liebe zur althergebrachten Ordnung, aber vielleicht lernst du ja, dass die Zeiten sich ändern …«
    »Was meinst du damit?«, fragte Jakob. Es ging ihm nach einem langen Schlaf mit vielen schönen Träumen wieder besser. Auch mit dem Bild der Caterina Cornaro konnte er inzwischen besser umgehen. Er ordnete sie in seinem Herzen den Bildern jener Äbtissinnen und Heiligen zu, die zu verehren man ihn gelehrt hatte. Aber er ahnte bereits, dass er sie dort nicht auf ewig würde einsperren und verstecken können …
    »Wusstest du das?«, fragte er verstohlen, als sie das Haus über den Wassereingang verließen. »Ich meine, dass Caterina Cornaro lebt …«
    Der Vetter legte beschwörend einen Finger an die Lippen.
    »Frag nicht zu viel hier«, flüsterte er. »Nirgendwo sonst gibt es so große Ohren und so scharfe Augen wie in Venedig. Außer in Rom vielleicht …«
    Sie nahmen eine der bunten Gondeln, die an hölzernen Pali im Wasser mit dem Wappen der Cornaros angelegt hatte. Ungewollt gab Lukas Fugger vom Reh seinem Vetter bereits damit eine erste Lektion über die Spielregeln in der Lagunenstadt. Sie waren einfach dem Gondoliere gefolgt, der sie am schnellsten und geschicktesten vor dem Palazzo abgefangen hatte.
    Die Morgennebel lichteten sich, und die Sonne brach golden durch die letzten Schleier über dem Canal Grande. Jakob genoss die Bootsfahrt zur Rialto-Brücke. Doch dann, als sich Menschen den Ufersteigen und der Brücke näherten, hörte er überall Buhrufe und Gelächter. Es dauerte eine ganze Weile, bis er begriff, dass mit ihnen selbst, mit ihrer eigenen Gondel irgendetwas nicht zu stimmen schien.
    Während er das Boot mit schleifenartigen Bewegungen des langen Ruders vorantrieb, versuchte ihr Gondoliere mit kuriosen Verrenkungen gleichzeitig, seine langen roten Strümpfe auszuziehen.
    »Wenn es nicht peinlich wäre, könnte ich darüber lachen«, gluckste Lukas Fugger. Jakob blickte ihn fragend an.
    »Die roten Strümpfe«, flüsterte Lukas. »Er hat noch immer die roten Strümpfe von einer Hochzeit an, die wohl gestern Abend stattgefunden hat.«
    »Und was ist so vergnüglich an dieser seltsamen Bekleidung?«, wollte Jakob wissen.
    »Normalerweise werden nachlässige Bootsleute und ihre Gäste mit Pfiffen, Geschrei und Hohngelächter bedacht, wenn sie die Etikette verletzen, also zum Beispiel vergessen haben, zu einer Hochzeit die üblichen roten Strümpfe anzuziehen. Aber ohne Braut machen wir uns mit seinen roten Strümpfen ebenso lächerlich …«
    Sie legten an, Lukas entlohnte den betrübt dreinschauenden Gondoliere, dann stiegen sie schnell aus und gingen durch den Toreingang des gewaltigen Fondaco dei Tedeschi.
    Das Innere des Handelshauses war eine Stadt für sich – eine mehrstöckige Burg aus Dutzenden von Lagerräumen und Wohnkammern mit einem großen rechteckigen Hof in der Mitte. Überall lagen Ballen und Stapel von Fässern und Kisten. Zweirädrige Karren lehnten an Stützpfeilern von Arkaden, und über Seile auf Holzrollen wurden bereits in dieser frühen Stunde Körbe und Kästen hochgezogen oder herabgelassen. Dutzende von Knechten und Handelsgehilfen liefen überall durcheinander, Kaufleute und Faktoren überprüften in Büchern und Pergamentrollen die einzelnen Partien. An vielen Stellen
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