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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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wurde.
    Während ich im Glücke schwelgte, schien Alice hingegen mit dem Gefühl des Ausgegrenztseins beschäftigt zu sein, denn sie wollte sogleich wissen, ob ich denn Katholik bin, weil ich an der Eucharistiefeier teilgenommen hatte, und ob Sie denn wirklich, wie sie auf dem Camino gelesen hatte, als Evangelische bei der Eucharistiefeier ausgeschlossen oder zumindest unwillkommen sei. Unter Bezugnahme auf das II. Vatikanum und unter dem Hinweis, dass ich kein Theologe bin, hatte ich ihr klarzumachen versucht, dass nach meinem Dafürhalten Evangelische an der Eucharistiefeier teilnehmen können, wenn sie dieses unbeschadet der unterschiedlichen Abendmahlauffassungen wahrhaft gläubig und nicht provokativ tun, so wie es sich für einen Gast eben geziemt, und nicht als ein Abhaken eines touristischen Programmpunktes ansehen oder gar zum Anlass nehmen, einen Glaubensdisput vom Zaune zu brechen. Die entlang des Jakobsweges lebenden Menschen müssen sich nun einmal gegen eine Vereinnahmung als Bestandteil eines Freilandmuseums wehren.
    Die Nacht verbrachte ich in der hiesigen Herberge. Ich kam im dritten Stock dieses riesigen Gebäudekomplexes unter. Entlang weiten Gängen waren unzählige Doppelstock- und Einzelbetten aufgereiht, so dass man sich den Weg einprägen musste, wollte man sich nicht verlaufen und sein Bett wieder finden. Trotz der Massenbelegung hielt sich das ansonsten übliche Schnarchkonzert in Grenzen. Seelisch ausgeglichen und in freudiger Erwartung auf den nächsten Tag verfiel ich in einen himmlischen Tiefschlaf.
     

Freitag, den 25.06.:
     
    Da man die Herberge mit Gepäck spätestens um 10.00 Uhr verlassen haben musste, begab ich mich erneut voll bepackt ins Zentrum von Santiago de Compostela, um Geld abzuheben und meine Rückreise zu organisieren. In dem kleinen Pilgerreisebüro im Erdgeschoss des Gebäudes, in dem ich meine Compostela erhalten hatte, buchte ich als billigste Alternative eine Eurolines-Busrückreise von Santiago de Compostela nach Karlsruhe für den nächst möglichen Termin, für kommenden Freitag, 02.Juli.
    Etwa zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr begab ich mich wieder in die Herberge, bezog ein Einzelbett im Dormitorium (Schlafsaal) indem ich meinen Schlafsack ungeöffnet aufs Bett legte, ging duschen, zog meine hübschesten Kleider an, hängte meine Unterwäsche, mein gelbes T-Shirt sowie mein Handtuch in dem hierfür vorgesehenen Raum zum Trocknen auf und deponierte meine beiden Rucksäcke, meine Wanderschuhe, -socken und -stock, meinen Waschbeutel, meine roten Shorts und mein grünes T-Shirt in dem meinem Bett zugehörigen Schrankfach.
    Hernach begab ich mich erneut zur 18.00 Uhr Pilgermesse in die Kathedrale. Zwar war auch diese, dieses Mal von einem Bischoff mit mehreren Priestern zelebrierte Messe sehr schön, allerdings hatte sie nicht mehr dieselbe Wirkung auf mich wie gestern. Im Anschluss schritt ich durch die Heilige Pforte und tat das, was die vor mir hergehenden Menschen auch taten. Ich küsste die Schulter der Heiligenfigur, bekam im Gegensatz zur Grabeskirche in Jerusalem spendenerwartungsfrei ein Heiligenbildle von Santiago in die Hand gedrückt, spendete dennoch etwas Geld und wurde von den Nachfolgenden hinab zum Reliquienschrein des Heiligen Jakobus geschoben.
    Wie erwartet, konnte ich keinen rechten spirituellen Bezug zur Reliquie herstellen, obgleich ich mich in eine Ecke verkrümelte und dieses versuchte. Für mich blieben es nach wie vor Knochen in einem kunsthistorisch wertvollen Behältnis. Immerhin hielt ich es für angebracht, dem Heiligen zu versprechen, ab morgen keine Zigaretten mehr zu rauchen. Nunmehr war mein Pilgerziel definitiv erreicht. Ich freute mich schon darauf, meine bereits gekaufte, kleine Jakobsmuschel als äußeres Zeichen für mein Ankommen am Grabe Santiagos an meine hoch geknöpfte Hutkrempe zu befestigen, wenn ich wieder in der Herberge sein werde.
    Noch kurz gut gespeist begab ich mich zum Schlafen zurück zur Herberge, zumal die allabendliche Herbergsschließung bevorstand. Mein durch meinen roten, klein zusammengefalteten Schlafsack reserviertes Bett fand ich problemlos. Beim Öffnen der Schranktüre erstarrte ich vor Entsetzen. Der Schrank war gänzlich leer geräumt. Ich musste mich erst einmal aufs Bett setzen. Hatte die Herbergsverwaltung mein Gepäck vereinnahmt, weil sie womöglich irrigerweise meinte, ich hätte nicht bezahlt? Soweit ich mich entsinnen konnte, hatte ich zwar das Unterkunftsentgelt entrichtet, erhielt

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