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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Als ich einige Zeit ohne irgendwelche Bars zu erblicken gegangen war, erspähte ich einen Passanten, der meinte, das nächste Restaurant befinde sich noch etwa 1 km weiter entfernt. Da mir noch genügend Zeit bis zur Schließung der Herberge zur Verfügung stand, latschte ich vom Hunger getrieben weiter. Irgendwann erblickte ich das Ortsschild von Arzúa. Ist das nicht der noch ca. 3,2 km entfernte Nachbarort von Ribadiso, den ich erst morgen durchqueren müsste? Beim Gedanken, dass ich morgen dieselbe Strecke nochmals laufen musste, erfasste mich kurz eine unsägliche Wut.
    Nachdem ich im Restaurant, dem ein Hotel angeschlossen war, zu Abend gegessen und ein Zimmer gebucht hatte, fuhr mich der Wirt entgegenkommender Weise zurück zur Herberge, damit ich meine Rucksäcke holen konnte. Als ich bepackt aus der Hofpforte der Herberge trat, stand er immer noch mit seinem PKW wartend da. Vielleicht hatte er Angst, ich könnte die Zeche prellen, zumal ich meine Personalien ihm noch nicht preisgegeben hatte. Jedenfalls versuchte ich nochmals, so gut wie es mir nur möglich war, ihm klar zu machen, dass ich Pilger bin und so kurz vor meinem Ziele meinen Pilgergrundsatz nicht dadurch untreu werden könne, mich oder mein Gepäck chauffieren zu lassen. Er verstand mein Ansinnen, fuhr alleine zurück und ich folgte ihm mit Gepäck zu Fuß erneut den äußerst steilen Weg hinauf nach. Ich glaube kaum, dass er meine Beweggründe verstanden hatte. Sicherlich hielt er mich für völlig durchgeknallt, für vollkommen verrückt. Jedenfalls war mir seine Meinung über mich gleichgültig.
    Allein der Gedanke an ein bisschen Übernachtungsluxus beflügelte meine Schritte. Angekommen konnte ich sogleich mein Hotelzimmer beziehen, nachdem ich meinen Personalausweis hinterlegt hatte. Meinen heute früh ins Auge gefassten Etappenplan hatte ich überplanmäßig erfüllt. Laut Reiseführer müsste ich heute 30 km gelaufen sein.
     

Dienstag, den 22.06.:
     
    Am Frühstückstisch lernte ich einen Berliner, einen freischaffenden Künstler, kennen, der sich eine Auszeit von einem Jahr nahm und seit Januar dieses Jahres von Berlin aus über Lourdes nach Santiago de Compostela, von dort ans Kap Finisterre am Atlantik und im Anschluss daran einfach weiter bis nach Fatima gewandert war. Er befand sich gerade auf dem Rückweg. Von dem mich erwartenden Trubel in Santiago de Compostela sowie kommerzieller Ausschlachtung des Jakobskultes erzählte er mir u.a., was jedoch meine langsam aufkommende innere Unruhe und Vorfreude auf das Grab des Heiligen Jakobus in keiner Weise beeinflussen konnte. Für mich war mein Pilgerziel erst dann erreicht, wenn ich mit meinen beiden Rucksäcken auf den Stufen der Kathedrale von Santiago de Compostela sitze, und nicht - wie er empfahl - mein Gepäck zuvor bereits in der letzten Herberge unweit von Santiago de Compostela auf dem Monte do Gozo deponiere. Wie ich es mit meiner Bagage in Compostela handhaben werde, wird sich vor Ort ergeben.
    Heute waren das Wetter sowie die Landschaft unmerklich anders als gestern. Die Luft war weiterhin zart von Jauchegeruch, den ich allerdings nicht als Gestank empfand, durchdrungen. Irgendwie gehörte er einfach zu dieser kleinbäuerlich geprägten Viehhaltergegend. Einzig die streng riechenden Eukalyptuswälder überdeckten zeitweise den Geruch von Viehfäkalien. Gedankenlos und gemächlichen Schrittes zog ich meines Weges und betrachtete mir hierbei die sich ändernden Landschaftsbilder. Über was sollte ich mir auch Gedanken machen, wenn ich sorgenfrei in den Tag leben konnte. Seit Beginn meiner Pilgerschaft war ich über die aktuelle Tagespolitik sowie das Geschehene zuhause uninformiert und ich vermisste es auch nicht. Ich lebte nur für mich und den Weg. Auch war mir die Pilgertugend eigen geworden, hinzunehmen und zu geben, anstatt nach Touristenmanier zu fordern und sich geben zu lassen.
    Während ich heute früh noch der Meinung war, der Rest meiner Wanderschaft wäre ein Pappenstiel, wurde ich eines Besseren belehrt. Nachmittags kam ein Sturm auf und nach meinen beiden Reiseführern gab es zwischen den beiden Ortschaften Arzúa und Santa Irene keinerlei Unterkunftsmöglichkeiten. Ob ich wollte oder nicht, ich musste mein heutiges Etappenziel, den 17,2 km entfernten Ort Santa Irene, erreichen. Das gegen den Sturm Ankämpfen zehrte ungemein an meinen Kräften. Immerhin bot ich mit meinen beiden Rucksäcken dem Wind ein großflächiges Angriffsziel. Einzig die Hohlwege boten

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