Jakobsweg
Unfassbar. Ein Menschenleben zählt NICHTS.
Sahagün - hupps, was für ein Sprung. Ich musste Kilometer machen, nachdem ich ja diese Woche schon 2 Tage verloren habe. Sahagün ist ein kleines Örtchen, viele Kneipen - wie immer - um die Plaza Major. Hocke grad eben bei "Luis" und habe eine Portion Super-Boquerones , einen kleinen Wein und ein kleines Stückchen Tortilla gehabt - 6 €.
Heute habe ich immer wieder meine schlauen Jakobsweg - Führer bewegt und werde morgen den Weg von Sahagün nach Bercianos del Real Camino gehen. Laut Wetterbericht bleibt es trocken und sonnig, dazu sehr kalt. Weil ich aber allein laufe, kann ich mir einteilen, wie ich gehe. Brauche eben meine Pausen und das "In-die-Gegend-Kucken"!
Nur wenig Anstieg, sagt mein Buch. Ich habe heute noch mal heiß gebadet und eigentlich auch kaum noch Schmerzen, allerdings ohne Rucksack, der ja immer stramm auf der Hüfte geschnürt ist. Aber gut: Hilde aus der Schweiz hat gesagt, ich solle meinen Körper wie mein Werkzeug betrachten, ihn gut behandeln und ölen und ihm sagen, dass er jetzt weiter arbeiten muss - aber eben schön langsam. Habe heute Morgen eine sehr nette SMS von Caballero (Pepe, der langhaarige, gutaussehende Waldbrand-bekämpfer, den ich in Burgos kennengelernt habe) bekommen, er war zwei Tage in San Bol. Und außerdem eine ganz, ganz liebe Nachricht von Marguerite, die muss ich gleich morgen beantworten. Ich hatte heute gar keine Lust. Und nun muss ich versuchen, zu schlafen.
Bercianos del Real Camino
Bin gut 15 km gelaufen - zu wenig, aber mehr ging halt nicht, was soll ich machen. Bei strahlendem Sonnenschein, aber Eiseskälte bin ich um 10h los, vorher wäre ich glatt erfroren. Es war für mich eine sehr schöne Strecke.
Manche sagen, das ewige Geradeaus sei ermüdend für Körper und Seele - mir hat es gefallen, weil es mich sehr an den Niederrhein erinnert hat, an meine Kindheit in Lank-Latum und die Spaziergänge mit meinen Eltern! Die "Eintönigkeit" gibt einem die Chance, stur zu laufen und seinen Gedanken zu folgen. Lange Pappelalleen und flache weite Felder, die zum Teil schon gepflügt sind. Es riecht nach deutschem Herbst hier in Nordspanien und das ist für mich schön nach so langen Jahren ohne wirkliche Jahreszeiten. Der Jakobsweg führt unmittelbar neben der N120 lang. Es stört nicht so sehr, heute ist Sonntag und in der ganzen Zeit sind vielleicht zehn Autos an mir vorbei gefahren. Man verlässt Sahagün über eine Brücke aus dem Jahre 1085, die nur von einem kleinen Auto befahren werden kann. Danach geht es immer geradeaus und ganz flach nach Bercianos del Real Camino.
Es war ein richtig schöner Gang, trotz des kalten Windes. Und da war es wieder, dies Gefühl der absoluten Leichtigkeit, ich in geradezu fröhlich gewesen, völlig ohne Ängste und Zweifel.
Bin in der örtlichen Kneipe, die auch ein paar Zimmer hat, abgestiegen. Sehr sauber, ganz nette Leute und das BESTE ESSEN - bisher. Ein frischer, gemischter Salat mit Roter Beete, Möhren, Sellerie, Lechuga, Mais, Tomate. Danach Costillas de Cerdo (Spareribs) al horno mit handgeschnittenen Fritten, Wein, Brot, Wasser - 12,50€. Es mag unsinnig erscheinen, dass ich immer wieder über das Essen berichte, aber erstens esse und koche ich gerne, mein halbes Leben bestand daraus, Essen zu verkaufen und zuzubereiten und ausserdem hat es hier auch einen ganz besonderen Stellenwert.
Mir geht
es so gut heute, was für ein wunderschöner Tag. Dazu sind viele Pilger hier, alle sind bester Laune - kein Wunder, bei dem tollen Wetter. Lautes Stimmengewirr, jeder redet mit jedem, die Bauern aus dem Dorf stellen Fragen, die beiden Wirte sind fröhlich und freundlich. Fast könnte man glauben, alle hätten heute heimlich beschlossen, sich nicht so sehr zu quälen, ein bisschen langsamer zu machen. Schön. Alles ist sauber, was für ein unerwartetes Glück in diesem unscheinbaren Flecken. Ich gehe früh zu Bett und freue mich auf den Start morgen nach Reliegos und Mansilla de las Mulas. Das sind 20 Kilometer, ich kann also mittags dort sein und mich dann noch ein bisschen ausruhen, etwas schreiben und das Wetter genießen.
Als ich heute auf halber Strecke war, hat mich Maren angerufen - sie ist auf den Azoren und hatte Landgang, konnte deshalb anrufen, sonst hat sie ja keinen Empfang. Gestern habe ich spät abends noch eine SMS mit der E-Mail-Adresse von Caballero bekommen und Marguerite schreibt mir jeden Tag, sie ist so lieb. Ich möchte die ganze Truppe unbedingt
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