Jakobsweg
Knie hatte. Heute bin ich zweimal eine gute halbe bzw. eine Stunde ganz langsam gelaufen, beide Male war es nicht gut - trotz Bandage. Nun liege ich schon wieder und halte das Bein hoch. Tatsächlich habe ich ein Päckchen bekommen, mit Öl, Medikamenten und so weiter. Das war derart verklebt und verpackt, dass ich es ohne mein Messer gar nicht aufbekommen hätte. Heute habe ich vor lauter Langeweile ganz viele Karten geschrieben. War in der Kathedrale und morgen geh ich auf jeden Fall in den Palacio (Episcopal) Gaudí den alten Bischofs-Sitz in Astorga und, wie der Name sagt, vom berühmten Architekten Antoni Gaudí in den Jahren 1889 bis 1915 erbaut. In einem wunderbaren Antiquariat gleich um die Ecke habe ich mir ein Büchlein über den Camino gekauft, das wievielte wohl?? Noch dazu spanisch - wobei ja auch das von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag in jeder Hinsicht immer besser wird. Genauso wie mein KNIE(!!!) von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag in jeder Hinsicht immer besser wird. Sogar von Minute zu Minute -jawohl.
Habe heute endlich Marguerite gesimst. Vor einer Woche bin ich in Castrojeriz geblieben und "meine" Truppe ist weiter gelaufen. Ich bin nicht sicher, ob ich mich da wieder anschließen soll oder will. Ich bin ganz froh mit mir allein - egal, ob am Tage auf dem Weg oder am Abend beim Essen, Trinken, Lesen, in der Kirche. Wenn ich mal in eine Bar gehe, dann auf einen, höchstens zwei Drinks, oder auf den täglichen Cafe solo, immer begleitet von meinem Outdoor-Führer, meinem Tagebuch und mindestens einem Kugelschreiber. Wer hätte das geglaubt...
Ich höre immer wieder, dass die Leute mir nicht zutrauen oder nicht zugetraut hätten, dass "ausgerechnet" ich den Jakobsweg gehe. Bea mit den ewigen Highheels und dem Glas Weißwein, wahlweise Champagner, in der Rechten... Ich mir auch nicht, aber als ich meinen Entschluss erst einmal wirklich gefasst hatte - da ging es ganz schnell. Von Freitags bis Sonntags war ich in München und habe dort meine halbe Ausrüstung bei Sport-Scheck zusammengekauft. Zwei Paar Wanderschuhe von Meindl, Merino-Unterwäsche, einen supertollen Rucksack, Socken usw. Die Jungs da wissen ganz genau, was sie tun, das hat richtig Spaß gemacht. Es war sehr schön, ich war den ganzen Tag in der Stadt und natürlich beim Augustiner "Kastanie 13" das übliche Hendl essen. Am nächsten Tag bin ich zurück nach Mallorca, habe den restlichen Abend mit den "Wanderführern" in der Hand verbracht und mir die Augen rot gelesen.
Montags habe ich vom Büro aus in der "Casa Paderborn" angerufen, Flüge nach Marid und Pamplona gebucht, die letzten Dinge in der Apotheke besorgt und dann gepackt. Heute - Dienstag - bin ich seit drei Wochen unterwegs und ich fühle mich wirklich gut!! Gelassen und froh! Ich beschäftige mich nur mit mir selbst, meinem Leben, meiner Vergangenheit, meiner Zukunft und auch damit, was ich meinem Kind "angetan" habe. Ich liebe sie so sehr! Passiert oft; ich laufe irgendwo entlang und plötzlich fallen mir ganz viele Dinge ein. Ich glaube, das ist der Sinn dieser Reise: setz' Dich mit Dir auseinander, lasse alles hinter Dir, bewältige Deine Vergangenheit - Und alles greift irgendwie ineinander...
Heute - nach 2 Tagen in Astorga - die ich vorwiegend liegend verbracht habe, bin ich endlich wieder losgelaufen. Wollte wegen meines Knies eigentlich nur ein kleines Stück gehen, leider war aber die Herberge in El Ganso geschlossen, genauso wie die Gemeindeherberge und die beiden Bars des Ortes. Ich hab nicht eine Menschenseele gesehen.
Also musste ich weiter, insgesamt knapp 22 km, ich bin einfach tot. Spüre alle Knochen, das Knie, die linke Hüfte. Mir ist auch zum wiederholten Male aufgefallen, dass ich zum Schluss der langen Etappen häufig stolpere und die Füße nicht mehr hochbringe. Und ich meine mich zu erinnern, dass das auch so war, als meine Schmerzen angefangen haben.
Bin heute früh als erstes in die Apotheke gegangen und habe mir eine Manschette und ein kühlendes Gel zugelegt. Unterwegs habe ich zwei Voltaren retard geschluckt und hoffe jetzt, dass alles gut geht. Gestern Abend sind Michael, Marguerite und Miriam nach Astorga gekommen. Wir haben uns getroffen, waren gemeinsam in der Kathedrale und haben später ein paar Tapas gegessen und 1 Flasche Rotwein geköpft. Eigentlich wollten wir heute früh ein Stück gemeinsam gehen, aber ich habe erst Medikamente und die Bandage gebraucht. -
Die Landschaft hinter Astorga ist völlig anders. Ganz weit und sanft
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