James Bomb 5 -James Bomb jagt den Paten
seinem Leben.
Er sah sich in Amerika, jung, stark und grausam.
Er sah seine beiden Ehefrauen, er sah seinen Sohn und er sah seine Tochter.
Er sah sich im Zenit seiner Macht und seines Reichtums. Doch schon begann die Sonne zu sinken. Schon war es Nachmittag in seinem Leben, die Stunden, die Jahre flogen vorbei, der Abend seines Daseins nahte heran.
Schon umfangen von der letzten Dämmerung, die der tiefen, schwarzen sizilianischen Nacht vorangeht, lag der Alte da, nach Atem ringend, den Schweiß des nahen Todes auf der Stirn und wartete.
Er wartete auf die Wirkung der Tablette, die ihm unter der Zunge zerging — einer Tablette, die aus völlig unwirksamen Substanzen bestand, die seine Pharmakologie studierende Tochter hergestellt hatte und die von seinem Eheweib gegen das echte Medikament ausgetauscht worden war.
Und so wurde denn die Dämmerung um den alten Don immer dichter und dunkler und tiefer und ging langsam und unwiederbringlich in die Schwärze des Todes und in das große endgültige Basta über.
Signora Pappardelle versuchte sein Sterben zu beschleunigen, indem sie ihm das spitzenverzierte Paradekissen mit aller Kraft auf den röchelnden, zahnlosen Mund drückte.
Sie wartete drei Minuten, dann hob sie das Kissen und legte lauschend ihr kleines, rosiges Ohr auf die haarige und reglose Männerbrust.
Dann richtete sie sich auf.
Don Vico Raphaele Pappardelle, der Pate, der Capo tutti capi, ihr angetrauter Gemahl, der gottverdammte Hurensohn, der sie fünfundzwanzig Jahre mit seiner Selbstherrlichkeit und Aufgeblasenheit traktiert hatte, war nicht mehr.
Zufrieden drückte sie dem Toten die Augen zu und faltete ihm die Hände über dem mächtigen Bauch.
Entschlossen ging sie auf ihren immer noch hübschen Beinen ins Badezimmer.
Zunächst einmal mußte die Schweinerei über dem Waschbecken weggeputzt werden.
48
Rocco hatte die Nacht in der Dreizimmerwohnung einer seiner zahlreichen Geliebten im zwölften Stock eines Apartmenthauses in der 76th Street, irgendwo östlich der Lexington Avenue verbracht.
Er lag jetzt schnarchend und nackt auf dem großen Wasserbett, als er durch das Klingeln des Telefons, das daneben auf dem Boden stand, geweckt wurde.
Verschlafen nahm er den Hörer ab.
„Ja?“ brummte er unwirsch.
Eine helle, weibliche Stimme drang an sein Ohr.
„Rocco?“
„Du, Elsa?“ fragte Rocco überrascht. „Was willst du? Woher hast du überhaupt diese Nummer?“
Die Telefonnummer des jeweiligen Mädchens, das er beschlief, kannten aus Sicherheitsgründen nur Pietro Tortellini, der Consigliere, Luca Canneloni, der Mastino, und sein Vater, der Don, natürlich. Seine Mutter gingen seine Weibergeschichten nichts an — es hätte sich nicht geschickt — und seine rotzfreche Schwester schon gar nicht.
„Ich hab’ immer gewußt, bei welchen Flittchen mein Herr Bruder gerade pennt“, sagte Elsa schnippisch. „Hör jetzt gut zu, Rocco. Der Alte ist tot.“
„Welcher Alte?“ fragte Rocco begriffsstutzig.
„Dein Vater, du Idiot!“
„Waas?“
Es dauerte eine Weile, bis die ungeheuerliche Nachricht in das verkaterte Gehirn von Rocco drang.
„Wer hat ihn umgelegt?“ fragte er dann.
„Niemand. Es war ein Herzanfall. Er ist im Bett gestorben. Komm sofort nach Hause, Don Rocco.“
Es klickte in der Leitung. Elsa hatte aufgelegt.
,Don Rocco’ hatte sie gesagt!
Natürlich, er war jetzt das Oberhaupt der Familie. Der alte Schnurrbartpeter war ja tot.
Er konnte es kaum fassen, aber es war so: Er war jetzt der Boß.
Er dachte nach. Er mußte jetzt auf der Hut sein. Die Dons der anderen New Yorker Familien würden versuchen, sich die Geschäfte der Pasta-Familie unter den Nagel zu reißen.
Er mußte sofort nach Queens und seine Leute zusammentrommeln, die Caporegime und die Soldati.
Sie mußten ihm alle Treue schwören.
Er durfte keine Zeit verlieren.
Er rüttelte das nackte Mädchen, das neben ihm auf dem Wasserbett lag, an der Schulter.
„He, Kitty, wach auf!“
Die üppige Rothaarige, ein früheres Playmate, drehte sich verschlafen zu ihm herum, erblickte seine Morgenerektion und öffnete seufzend die Beine.
Rocco lachte amüsiert und gab ihr einen derben Klaps auf die Schenkel.
„Jetzt wird nicht gevögelt, du Schlampe, heb deinen Arsch und mach mir Kaffee, aber dalli!“
Seine zerzauste Geliebte erhob sich schlaftrunken und taumelte in die Küche.
Rocco fuhr in seine weißen Leinenhosen und griff nach seinem gelben Seidenhemd, das am Boden neben dem Bett lag.
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