James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
Sachen auf dem Bett in die Tasche zurück und schob sie wieder unters Bett.
Dann ging er nach oben ins Büro.
Als die Routinearbeiten abgeschlossen waren, war es bereits zwanzig Uhr. Sie nahmen gemeinsam einen starken Drink und gingen dann in den zentralen Speiseraum der Ferienhausanlage, wo eine Handvoll anderer Gäste gerade ihr Abendessen beendete. Alle starrten sie neugierig und ein wenig ängstlich an. Was wollten diese beiden recht gefährlich aussehenden jungen Männer hier? Wo war die Frau, die mit ihnen angereist war? Wessen Ehefrau war sie? Was hatte der ganze Aufruhr an diesem Abend zu bedeuten? Die arme Mrs Stuyvesant lief umher und wirkte äußerst abgelenkt. Und war diesen Männern nicht klar, dass das Abendessen um neunzehn Uhr serviert wurde? Die Küchenangestellten würden jetzt nach Hause gehen. Es würde ihnen ganz recht geschehen, wenn ihr Essen kalt war. Man musste doch Rücksicht auf andere Menschen nehmen. Mrs Stuyvesant hatte gesagt, dass es sich bei den beiden ihrer Meinung nach um Männer von der Regierung aus Washington handele. Also, was hatte das zu bedeuten?
Der allgemeine Konsens besagte, dass sie nichts Gutes im Schilde führten und nicht zu den eingeschworenen Gästen der Everglades-Ferienhausanlage passten.
Bond und Leiter wurden an einen schlechten Tisch in der Nähe des Diensteingangs geführt. Das vorhandene Abendessen bestand aus einer Reihe aufgemotzter englischer und unverständlicher französischer Gerichte. Schließlich entschieden sie sich für Tomatensaft, Kochfisch in einer weißen Soße, eine Scheibe kalten Truthahn mit einem Löffel Cranberrymarmelade und einen Klecks Zitronencreme mit einem Wirbel aus Sprühsahne. Sie würgten alles mit finsterer Miene herunter, während sich der Speiseraum leerte. Die alten Paare verschwanden, und die Tischlampen wurden eine nach der anderen gelöscht. Fingerschalen, in denen ein einzelnes Hibiskusblütenblatt schwamm, waren die letzte freundliche Aufmerksamkeit ihres Mahls.
Bond aß schweigend, und als sie fertig waren, unternahm Leiter einen tapferen Versuch, fröhlich zu erscheinen.
»Wir sollten uns betrinken«, sagte er. »Das hier ist das schlimme Ende eines noch schlimmeren Tages. Oder wollen Sie Bingo mit den alten Leuten spielen? Ich glaube, im Gemeinschaftsraum findet heute Abend ein Bingoturnier statt.«
Bond zuckte mit den Schultern, und sie kehrten in ihr Wohnzimmer zurück und saßen eine Weile lang grübelnd da, während sie tranken und auf das endlose schwarze Meer und den Sandstrand hinausstarrten, der im Mondlicht knochenweiß aussah.
Als Bond genug getrunken hatte, um seine Gedanken zu ertränken, wünschte er Leiter eine gute Nacht und ging in Solitaires Zimmer, das er nun zu seinem Schlafzimmer gemacht hatte. Er kroch zwischen die Laken, in denen ihr warmer Körper zuvor gelegen hatte, und traf vor dem Einschlafen eine Entscheidung. Bei Tagesanbruch würde er sich den Robber schnappen und die Wahrheit aus ihm herausquetschen. Er war zu abgelenkt gewesen, um den Fall mit Leiter zu besprechen, aber er war sich sicher, dass der Robber der Drahtzieher hinter Solitaires Entführung war. Er dachte an die grausamen kleinen Augen und blassen dünnen Lippen des Mannes. Dann dachte er an den dürren Hals, der wie der einer Schildkröte aus seinem schmutzigen Unterhemd herausgeschaut hatte. Unter der Bettdecke spannten sich die Muskeln in seinen Armen an. Er hatte sich entschieden. Dann entspannte sich sein Körper wieder und er schlief ein.
Er schlief bis acht. Als er auf seine Armbanduhr schaute und feststellte, wie spät es bereits war, fluchte er. Er duschte schnell und hielt dabei seine offenen Augen in den harten Wasserstrahl, bis sie schmerzten. Dann wickelte er sich ein Handtuch um die Hüften und ging in Leiters Zimmer. Die Jalousien waren noch unten, doch das Licht reichte aus, um Bond erkennen zu lassen, dass keines der beiden Betten benutzt worden war.
Er lächelte und dachte, dass Leiter vermutlich die Flasche Whisky geleert hatte und auf der Couch im Wohnzimmer eingeschlafen war. Doch als er es betrat, war das Wohnzimmer leer. Die Flasche Whisky stand noch halb voll auf dem Tisch, und der Aschenbecher quoll vor Zigarettenstummeln über.
Bond trat ans Fenster, zog die Jalousien hoch und öffnete es. Er erhaschte einen kurzen Blick auf den wunderschönen, klaren Morgen, bevor er sich wieder dem Zimmer zuwandte.
Dann sah er den Umschlag. Er lag auf einem Stuhl neben der Tür, durch die er gekommen war.
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