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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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schwergewichtige Wachmann saß am Tisch und las den Enquirer. Als er Heather bemerkte, erhob er sich und sagte: »Ma’am.« Sie übersah ihn und begleitete mich zur Tür. Sie duftete leicht nach Seife und Wasser. Wir gaben uns die Hand, und ich bedankte mich für ihre Bereitschaft.
    »Vielen Dank, Doktor. Und bitte verzeihen Sie, dass ich ein paar Mal die Kontrolle verloren habe. Sie können sich sicher vorstellen« - sie lächelte und legte eine Hand auf ihre schlanke Hüfte -, »dass ich richtige Angst vor Ihrem Besuch hatte. Schließlich erlebt man so etwas nicht alle Tage. Aber jetzt, nachdem wir miteinander geredet haben, fühle ich mich viel wohler.«
    »Das freut mich sehr.«
    »Es geht mir jetzt wirklich viel besser. Können Sie Jamey jetzt helfen?«
    »Sicher«, log ich. »Alles, was ich erfahren kann, hilft.«
    »Gut.« Sie trat näher, als ob sie mir ein Geheimnis anvertrauen wollte. »Wir wissen, dass er schreckliche Sachen gemacht hat und dass er nicht mehr frei herumlaufen sollte. Wir möchten ihn aber sicher und gut versorgt untergebracht haben. Helfen Sie uns bitte, Dr. Delaware, das zu erreichen.«
    Ich lächelte, murmelte irgendetwas, das als Zustimmung gelten mochte, und verließ sie.

16
    Zu Hause fand ich eine Nachricht von Sarita Flowers vor, die zwei Stunden vorher geschickt worden war. Es hieß darin, dass ich am nächsten Morgen um acht die anderen Jugendlichen aus dem Projekt 160 treffen könnte, wenn mir immer noch daran läge. Sie bat mich um baldige Antwort. Ich rief in ihrer Abteilung an und bestätigte mein Kommen für den nächsten Tag. Robin kam um zwanzig vor acht nach Hause. Zu Abend gab es Reste. Wir nahmen einen Korb mit Obst, setzten uns auf die Terrasse, aßen die Früchte und betrachteten dabei die Sterne. Wir gingen früh zu Bett.
    Ich stand um sechs auf, um sieben machte ich mich auf den Weg zur Universität. Auf der Eingangstreppe zum Gebäude der Psychologischen Fakultät saßen hunderte von Tauben. Sie gluckerten, pickten und verdreckten den Zementboden, in glücklicher Ahnungslosigkeit der Gefahr, die ihnen innen im Gebäude drohte: Käfige in der Abteilung für Verhaltensforschung, Zuchthaus für Tauben.
    Die Tür zu Saritas Büro war verschlossen. Karen hörte mich klopfen und kam eilig herbei. Sie sah mich stirnrunzelnd an und reichte mir ein Heft.
    »Sie kommen doch allein zurecht, oder müssen Sie Dr. Flowers sprechen?«
    »Nein, es genügt, wenn ich die Schüler sehe.«
    »Gut. Sie hat nämlich eine Menge Ergebnisse auszuwerten.«
    Wir nahmen den Aufzug zwei Stockwerke hoch zum Gruppenraum. Karen schloss die Tür auf, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand.
    Ich sah mich um. In den fünf Jahren hatte sich nichts geändert, immer noch gallengrüne Wände mit Postern, dieselben durchgesessenen, billigen Sofas und die Tische mit den Resopalplatten. Eine Wand wurde von zwei hohen drahtverstärkten Glasfenstern beherrscht. Von dort aus konnte man auf die Laderampe des Chemiegebäudes blicken, jenes Viereck von ölverschmiertem Asphalt, auf dem ich Jamey seine Schuhe gegeben hatte, kurz bevor er sich ganz von mir zurückzog.
    Ich setzte mich auf ein Sofa und begann, das Heft durchzusehen. Mit der üblichen Sorgfalt hatte Sarita über jeden meiner Gesprächspartner einen kleinen Bericht verfasst.
    Ich las:
    »Für Dr. Alexander Delaware von Dr. Sarita Flowers, Projektleiterin.
    Betrifft: Bisherige Ergebnisse des Projekts 160, Entwicklung der Teilnehmer.
    Wie Du weißt, Alex, wurden im Herbst des Jahres 1982 sechs Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren in das Projekt aufgenommen. Mit Ausnahme von Jamey nahmen alle regelmäßig teil, bis zum Sommer 1986, als Gary Yamaguchi ausschied, um eine Künstlerlaufbahn einzuschlagen. Gary war achtzehn und hatte drei Jahre lang an der UCLA Psychologie studiert mit dem Abschluss eines Bachelor of Arts. Sein Stanford-Binet-IQ lag damals bei 167, seine sprachliche Ausdrucksweise entsprach der eines Promovierten. Es ist mir nicht gelungen, ihn für heute herzubitten. Er besitzt kein Telefon und hat auf die Karte, die ich an seine zuletzt bekannte Adresse richtete, nicht reagiert.
    Du wirst mit folgenden Jugendlichen sprechen:
    1. Felicia Blocker: Sie ist inzwischen fünfzehn, studiert Mathematik und wird zum Ende des Jahres ihren Bachelor of Arts ablegen. Verschiedene Universitäten haben ihr angeboten, sie als Doktorandin aufzunehmen. Sie wird wahrscheinlich nach Princeton gehen. Letztes Jahr bekam sie den

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