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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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werden, dass er möglicherweise sowohl schizophren als auch rauschgiftsüchtig ist.«
    »Beides gleichzeitig?«
    »Warum denn nicht? Ich weiß natürlich, dass Drogenmissbrauch keine Schizophrenie verursacht, aber gab es nicht schon Menschen - Grenzfälle -, die dadurch bis an den Rand ihrer Existenz getrieben wurden? Jamey war nie sozial angepasst, zumindest seitdem ich ihn kenne. Könnte er nicht LSD oder Psilocybin genommen und im Rauschzustand seine Selbstkontrolle verloren haben, wodurch er einen psychotischen Schub erlitt, der dann weitere Trips veranlasste?«
    »Jen, nach allem, was ich erfahren konnte, war Jamey gegen Drogen eingestellt. Keiner hat je gesehen, dass er welche nahm.«
    »Und was sagt Gary? Haben Sie ihn gefunden?«
    »Ja, er behauptete steif und fest, dass Jamey Rauschgift nahm. Aber er hat das nur aus seinem Verhalten geschlossen und nie wirklich gesehen.«
    »Damit ist dieser Aspekt also noch nicht erledigt«, behauptete sie hartnäckig.
    »Das große Problem bei Ihrer zweiten Hypothese hat nichts mit Rauschgift oder Wahnsinn zu tun«, sagte ich. »Wenn er kein Mörder ist, wie konnte er dann mit dem blutigen Messer in der Hand geschnappt werden?«
    Sie zögerte.
    »Jetzt werde ich sehr theoretisch.«
    »Einverstanden.«
    »Es besteht die Möglichkeit, dass man ihn reingelegt hat. Das würde mehrere Fragen auf einmal beantworten. Aber wie könnte man das gemacht haben? Als ich anfangs diese Spur verfolgte, stieß ich auf die dritte Alternative, die nach meiner Meinung am meisten bringt, weil sie alle Diskrepanzen ausräumt: Jamey ist weder ein Mörder noch wirklich schizophren. Sowohl die Szene am Tatort als auch seine geistige Verwirrung sind die Folgen einer psychobiologischen Manipulation.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Chemische Beeinflussung des Verstandes, Alex. Psychische Vergiftung. Jemand benutzte Drogen, die Halluzinationen erzeugen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Als Jamey nicht mehr bei Verstand war, brachte man ihn zum Tatort.«
    »Das ist sehr viel auf einmal«, antwortete ich.
    Sie griff über den Tisch nach meiner Hand.
    »Ich weiß, dass das weit hergeholt ist, aber lassen Sie mich bitte ausreden.«
    Bevor ich etwas sagen konnte, war sie schon wieder bei der Sache.
    »Diese Annahme ist nicht so verrückt, wie sie anfangs erscheint. Die Forschungen auf dem Gebiet der bewusstseinsverändernden Drogen waren doch gerade deshalb so erfolgreich, weil die Psychiatrie sich für Stoffe interessierte, die eine Schizophrenie vortäuschen konnten. Noch bevor der Begriff bewusstseinsverändernd geprägt wurde, wurden LSD, Psilocybine {5} und Meskalin als psychomimetische Stoffe bezeichnet, weil sie Psychosen vortäuschen. Und lange, bevor die Hippies ihm einen schlimmen Ruf verschafften, wurde LSD von der Forschung als Wunderdroge betrachtet, denn es konnte bei Versuchen eine Psychose hervorrufen. Psychotherapeuten begannen, es selbst einzunehmen, um nachzuempfinden, was in ihren Patienten vorging, und Pharmakologen erforschten die molekulare Struktur, um die neurobiologischen …« Sie hörte plötzlich auf, warf einen Blick auf ihre Hand, die immer noch auf meiner lag, zog sie zurück und versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen, indem sie Bücher zurechtrückte.
    »Aber was erzähle ich Ihnen das alles«, sagte sie schüchtern, »Sie wissen das doch.«
    »Jennifer, ich halte Ihre Theorie nicht für weit hergeholt - als Theorie, wohlgemerkt. Tatsächlich habe ich im Hinterkopf auch immer an Drogen gedacht, seitdem ich in den Fall verwickelt wurde, weil ich nach einem Weg suchte, Jameys Unschuld zu beweisen. Nichts würde mich deshalb glücklicher machen, als feststellen zu können, dass Jamey selbst Opfer ist und nicht Täter.
    Unglücklicherweise gibt es aber, wenn man Theorien aufstellt, häufig Probleme mit der Realität. In der Nacht, als Jamey in Canyon Oaks eingeliefert wurde, untersuchte man sein Blut auf LSD, Psilocybin und andere gebräuchliche Drogen und fand nichts.«
    Wenn man Mainwaring vertrauen durfte. »Und obwohl es gewisse symptomatische Ähnlichkeiten zwischen Drogenvergiftung und Schizophrenie gibt, wissen Sie so gut wie ich, dass sie nicht vergleichbar sind. Die Begleiterscheinungen von Drogenmissbrauch sind eher bildhafte Halluzinationen. Schizophrenie ruft aber vorwiegend Geräusch-Halluzinationen …«
    »Aber Jamey hatte doch Geräusch-Halluzinationen.«
    »Eben. Und das deutet eher auf eine Psychose hin. Ebenso sein ständiger Verfall. Drogenräusche

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