Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
Und wenn ich Jameys Geisteszustand untersuchen soll, muss ich alles über sein Leben wissen, muss herausfinden, wie es zu einem solchen Persönlichkeitsverfall kommen konnte. Ich glaube kaum, dass dies möglich ist, aber wenn überhaupt, muss ich alle Leute befragen. Familienmitglieder, Mainwaring, alle, die mir wichtig erscheinen. Und ich muss sämtliche Arztberichte lesen.«
»Ihnen werden alle Türen offen stehen.«
»Es kommt der Moment, in dem meine Fragen aufdringlich und unangenehm werden. Nach dem, was vorhin passiert ist, glaube ich, dass Dwight Cadmus damit nicht zurechtkommen wird. Es wird also keineswegs einfach sein.«
»Machen Sie sich wegen Dwight keine Gedanken. Sagen Sie, was Sie unternehmen wollen und wann, ich werde dafür sorgen, dass er bereitwillig mitarbeitet.«
»Es gibt noch ein weiteres Hindernis«, sagte ich. »Wenn ich für Sie arbeite, weiß ich nicht im Voraus, was dabei herauskommt. Es könnte passieren, dass ich zu dem Ergebnis komme, dass Jamey gar nicht geisteskrank ist.«
Souza nickte. »Daran habe ich bereits gedacht, Doktor. Natürlich wäre mir das nicht sehr lieb, und ich bin sicher, dass die Tatsachen für mich sprechen. Aber sollten Sie die Dinge anders sehen, würde ich Sie bitten, mit niemandem darüber zu sprechen, damit die Anklage nicht Ihre Argumente verwendet.«
»Darauf könnte ich mich einlassen.«
»Also, kann ich auf Ihre Hilfe rechnen?«
»Gewähren Sie mir vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit.«
»In Ordnung. Natürlich müssen wir noch über das Honorar reden. Was haben Sie für Vorstellungen?«
»Hundertfünfundzwanzig Dollar pro Stunde, inklusive Telefon- und Fahrtkosten, genau wie bei einem Anwalt.«
Souza kicherte. »Gut, gut. Sind Sie mit einer Vorauszahlung von zehntausend Dollar einverstanden?«
»Warten wir damit, bis ich mich definitiv entschieden habe.«
Souza stand auf und schüttelte mir die Hand.
»Wird schon werden, Doktor.«
Er klingelte Antrim herbei, erfuhr, dass der Chauffeur von seiner letzten Tour noch nicht zurück sei. Daraufhin rief er ihn im Rolls an und gab ihm Anweisung, mich abzuholen. Während wir auf Antrim warteten, goss er neuen Tee ein. Nachdem er seine Tasse geleert hatte, sagte er:
»Noch etwas: Die Polizei weiß über Jameys Anruf Bescheid und wird Sie deswegen sicher befragen wollen. Natürlich können Sie gern frei darüber reden. Wenn Ihnen danach ist, darauf hinzuweisen, dass Jameys Geisteszustand äußerst wirr war, dann tun Sie es. Mir wäre lieber, dass Sie nicht davon sprechen, dass Sie ihn früher behandelt haben.«
»Das würde ich ohnehin nicht tun. Unsere Gespräche damals waren vertraulich.«
Er nickte zufrieden. Nachdem unser Gespräch diese Wendung genommen hatte, redeten wir noch über belanglose Dinge. Dies behagte weder ihm noch mir. Endlich tauchte der Chauffeur auf, die Mütze in der Hand, wie ein Geist, der plötzlich aus dem Nichts erscheint.
Souza begleitete mich ins Vorzimmer. Am Schreibtisch saß nun die hübsche junge Sekretärin. Er dankte mir mit einem Lächeln und strich einzelne Haare über seiner Glatze zurecht.
Ich verließ hinter Tully Antrim das Gebäude. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause, denn das Gerede über Mitarbeiter und Strategien hatte mir ein wenig zugesetzt. Ich wollte in Ruhe nachdenken und auf jeden Fall verhindern, dass irgendjemand mich zu seinem Spielball machte.
6
Souza hatte Nachforschungen über mich angestellt. Ich entschloss mich, den Spieß umzudrehen.
Ich rief Mal Worthy an, einen Scheidungsanwalt in Beverly Hills, mit dem ich in verschiedenen Vormundschaftsfällen zusammengearbeitet hatte. Mal war ein Star, manchmal mit einem Hang zur Geschwätzigkeit, aber trotzdem ein brillanter Jurist, zugleich intelligent und gewissenhaft. Noch wichtiger war, dass er in Los Angeles wirklich jeden zu kennen schien. Die Sekretärin seines Sekretärs teilte mir mit, dass er zum Mittagessen gegangen sei. Ich konnte ihr die Adresse entlocken und rief ihn in Ma Maison an. Er kam schmatzend ans Telefon.
»Hallo, Alex. Was gibt’s?«
»Ich brauche eine Information von dir. Was weißt du über einen Rechtsanwalt namens Horace Souza?«
»Partei oder Gegner?«
»Im Moment keins von beiden. Er will mit mir zusammenarbeiten, Geld spielt keine Rolle.«
»Er ist der absolute Boss im Team, und das sagt schon alles. Er hat’ne Menge Jungs, die für ihn arbeiten, aber nur er hat das Sagen. Wenn du auf der Gewinnerseite sein willst, tust du dich am besten mit ihm
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