Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
zusammen. Ich habe bisher nicht gewusst, dass er sich im Familienrecht auch noch auskennt.«
»Es handelt sich um einen Kriminalfall, Mal.«
»Willst du deinen beruflichen Horizont erweitern?«
»Das weiß ich noch nicht. Ist das ein ehrlicher Typ?«
»So ehrlich wie jeder gute Anwalt. Wir sind Handlanger. Souza ist ein Ass, schon ewig gut im Geschäft.«
»Ich habe herausgehört, dass er schon lange für die Familie des Angeklagten tätig ist. Alter Geldadel, keine Berufsverbrecher. Souza hat ein stinkvornehmes Büro. Sieht eher nach Politik aus als nach Strafrecht.«
»Er gehört zu diesem seltenen und aussterbenden Menschenschlag - Generalist der alten Schule, weiß, wo es langgeht. Ausbildung in Bakersfield, hat sich selbst hochgearbeitet, seinen Schliff beim Militär bekommen, war an den Nürnberger Prozessen beteiligt. Er hat’ne Menge Kontakte, seinen Laden hat er in den Vierzigerjahren aufgemacht. Riesenvilla in Wilshire.«
»Da ist er immer noch.«
»Feine Gegend, nicht? Gehört alles ihm und dazu noch ein guter Kilometer Boulevard auf der anderen Straßenseite. Der Knabe ist steinreich. Arbeitet nur aus Spaß. Ich erinnere mich an eine Rede, die er vor der Anwaltskammer gehalten hat, über die gute alte Zeit, als Los Angeles noch eine tolle Stadt war. Wie er damals Räuber verteidigt hat und Mörder und zur gleichen Zeit das Testament eines gewissenlosen Kapitalisten vollstreckt hat. So was gibt’s heute nicht mehr. Für was für einen Fall will er dich denn haben?«
Ich zögerte einen Moment und sagte ihm dann, er wäre darüber bestimmt schon durch die Zeitung informiert.
»Verdammt unangenehme Sache. Du wirst sicher berühmt werden.«
»Verschone mich damit!«
»Willst du nicht prominent sein? Jeder in dieser Stadt ist scharf darauf.«
»Ich fühle mich in so einer Sache nicht sicher. Bisher war ich noch nie in einer Strafsache tätig und bin auch kein Fachmann für Unzurechnungsfähigkeit.«
»Beim ersten Mal hat man immer eine Heidenangst. Hör mal zu, Alex, die meisten der so genannten Psychiatriesachverständigen sind dumme Schwätzer und Hurenböcke. Sie treten vor Gericht so arrogant und dümmlich auf, dass du verglichen mit denen glänzend abschneiden wirst. Und was deine Gefühle dabei angeht, versuche sie zu vergessen, das rate ich dir. Im ersten Jahr nach meinem Examen hatte ich einen Job als Pflichtverteidiger und musste mich mit einem unglaublichen Abschaum herumschlagen. Neunundneunzig Prozent davon waren schuldig. Wenn man die alle abgetrieben hätte, sähe die Welt besser aus. Das war ein verdammter Zirkus. Ich will nicht gerade behaupten, dass es mir Spaß gemacht hat, und ich bin rechtzeitig ausgestiegen, aber wenn ich an einer Sache dran war, war ich entschlossen, für dieses Pack mein Bestes zu geben, stellte sie als unschuldige Engel dar. Meine Gefühle habe ich in eine Schublade gesteckt, meinen Job in eine andere. Und etwas mehr als neunundneunzig Prozent dieses Abschaums wurde nicht eingelocht. Ich kann dir nicht versprechen, dass diese Schubladentechnik auch bei dir klappt, Alex, du solltest aber darüber nachdenken. Im Nationalmuseum gibt es so ein Blatt Papier unter Glas, das jedem einen fairen Prozess und eine fachkundige Verteidigung garantiert. Man muss sich nicht schämen, in solch einem Verfahren mitzumachen, klar?«
»Verstanden«, antwortete ich, erpicht, das Gespräch zu beenden. »Und vielen Dank für deine Ermunterung.«
»Gern geschehen, mach’s gut, ich muss zu meinem Entensalat zurück.«
Gegen fünf Uhr fuhr ein Polizeifahrzeug vor. Zwei Männer, der eine groß und massig, der andere klein und schmächtig, stiegen aus. Zuerst dachte ich, der große wäre Milo, aber als sie die Treppe zur Terrasse hochstiegen, erkannte ich keinen von beiden. Bevor sie klopfen konnten, öffnete ich die Tür. Beide zückten gleichzeitig ihre Polizeimarken. Der Große war ein Kriminalbeamter der städtischen Mordkommission mit Namen Calvin Whitehead. Er trug einen hellblauen Anzug mit einem blauen Hemd und einer Marinekrawatte, die mit goldenen Hufeisen gemustert war. Er war hellhäutig, hatte Sommersprossen, braune Augen und trug seine farblosen kurz geschnittenen Haare zur rechten Seite gekämmt. Seine Schultern waren ausladend, der Kopf klein mit mädchenhaften Lippen, Henkelohren und dem verbitterten Blick eines Universitätssportlers, der lange keinen Beifall erlebt hat und das jedem übel nimmt. Der Kleine war Richard Cash, ein Detective des Police Department
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