Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
Geschwätz über Genies. Wenn du schweigst und keine Tatsachen an die Öffentlichkeit gelangen, werden die Leute sich immer nach diesen Ammenmärchen richten. Je offener du darüber redest, desto stärker bist du gegenüber den Medien, umso besser kommst du mit deinen Zielen durch.«
Einen Moment lang schwieg sie.
»Also gut«, sagte sie kurz angebunden, »ich kümmere mich drum. Aber jetzt habe ich wirklich zu tun und bitte dich, mich zu entschuldigen.«
»Danke, dass du Zeit für mich geopfert hast«, sagte ich.
Sie gab mir die Hand, lächelte, aber ohne wirkliche Herzlichkeit. Als ich aus dem Zimmer gegangen war, schloss sie schnell die Tür hinter mir. Ich hörte einen schleifenden, ächzenden Lärm, Gummi auf Vinylboden. Es hörte gar nicht mehr auf.
11
Souza war über meinen Wunsch mehr als überrascht, er schien mir sogar ein wenig verärgert.
»Doktor, alles, was Sie dort zu sehen bekommen, ist ein über und über mit Blut bespritztes Zimmer, aber wenn Sie es für notwendig halten, lässt es sich natürlich einrichten.«
»Es würde mir sehr nützlich sein.«
Eine lange Pause folgte, und ich fragte mich schon, ob vielleicht die Leitung unterbrochen sei.
»Inwiefern, Doktor?«
»Falls er in der Lage ist, über die Morde zu sprechen, möchte ich so gut wie möglich über Einzelheiten informiert sein.«
»Also gut«, sagte er, klang aber eher skeptisch. »Mir ist es zwar noch nie passiert, dass ein Gutachter solche Wünsche hatte, aber ich werde mit der Polizei reden und Ihnen einen Besuch ermöglichen.«
»Vielen Dank.«
»Um etwas mehr im üblichen Rahmen zu bleiben, wüsste ich gerne, ob Sie bei Ihren Nachforschungen ein Stück weitergekommen sind.«
Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Sarita Flowers. Die Geschichte von Jameys Halluzination mit den blutigen Gittern interessierte ihn ganz besonders, ebenso meine Nachforschungen über eventuellen Drogenmissbrauch.
»Was sind das denn für Gitter?«
»Manche Leute, die auf einem LSD-Trip sind, berichten davon, dass sie grellfarbene Schachbrettmuster sehen. Jamey aber sprach von blutigen Gittern, und deshalb handelt es sich möglicherweise um etwas ganz anderes.«
»Interessant. Wenn er nun solche Gitter gesehen hat, was für eine Bedeutung messen Sie dem bei?«
»Wahrscheinlich überhaupt keine. Auch wenn visuelle Halluzinationen bei Schizophrenen nicht so oft vorkommen, sondern eher akustische - Stimmen, Geräusche -, Ausnahmen gibt es immer. Frau Dr. Flowers war übrigens ziemlich sicher, dass er keine Drogen nahm.«
»Leute, die LSD nehmen, haben aber normalerweise solche Halluzinationen, oder?«
»Ja, aber nicht nur sie.«
»Es wäre eine Möglichkeit, Doktor.«
»Dass Chancellor ihn mit Drogen abfüllte und ihn in eine Art Roboter verwandelte?«
»Etwas in dieser Richtung.«
»Ich kann eine solche Theorie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vertreten. Nach meinen Beobachtungen liegt eine Form von Schizophrenie vor. Und solche Kranke erleiden oft schwere Sprachstörungen: Wörter nehmen neue, bizarre Bedeutungen an. Verbale Paraphrasie nennt man das. Blutige Gitter, das kann genauso gut Spaghetti bedeuten wie alles mögliche andere.«
»Mich interessiert nicht nur, was wissenschaftlich gesichert ist, Doktor, ich möchte wissen, was es für Möglichkeiten gibt.«
»So weit sind wir noch nicht. Es gibt keinerlei Hinweise, dass Jamey irgendwelche Drogen nahm. Mainwaring muss ihn genau untersucht haben, als er zu ihm in Behandlung kam. Hat er irgendwas über Drogenmissbrauch geäußert?«
»Nein«, räumte Souza ein, »er sagte nur, es sei ein klarer Fall von Schizophrenie. Und dass, selbst wenn der Junge Drogen genommen hätte, diese ihn nicht zum Wahnsinn getrieben hätten.«
»Das ist eine exakte Aussage.«
»Ich verstehe Sie ja, Doktor, aber Sie müssen noch nach anderen Anzeichen für Drogenmissbrauch suchen. Falls Ihnen so etwas begegnet, bitte sagen Sie mir sofort Bescheid.«
»Ja.«
»Gut. Übrigens hat Dwight heute Nachmittag zufällig Zeit, Sie zu treffen. Um drei Uhr.«
»Drei ist mir recht.«
»Großartig. Wenn Sie nichts einzuwenden haben, würde er Sie am liebsten bei Cadmus Construction treffen. Fernab von allen neugierigen Blicken.«
»Einverstanden.«
Souza gab mir die Adresse der Firma in Westwood und bot mir erneut Honorar an. Ich hätte am liebsten abgelehnt, aber dann sagte ich mir, dass das doch etwas zu kindisch sei und ich Selbstverleugnung mit Unabhängigkeit verwechselte. Geld oder nicht, ich war
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