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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Seite in meinem Notizbuch um. »Wie alt war er, als Sie geheiratet haben?«
    »Das war vor dreizehn Jahren, also war er fünf.«
    »Wie reagierte er auf die Heirat?«
    »Er war glücklich. Während der Zeremonie durfte er die Ringe halten. Heather hatte eine Menge kleiner Vettern, die es gerne getan hätten, aber sie wollte, dass Jamey es tat, damit er nicht vernachlässigt wurde.«
    »Haben sich Heather und Jamey von Anfang an verstanden?«
    »Natürlich, warum denn nicht? Sie ist eine ganz tolle Frau und besonders nett zu Kindern. Sie war aufmerksamer und zärtlicher zu ihm als eine leibliche Mutter. Was jetzt passiert ist, erschüttert sie sehr.«
    »Wurde Ihre Ehe davon, dass Sie für ein so schwieriges Kind sorgen mussten, überschattet?«
    Er nahm sein Whiskyglas und rollte es zwischen beiden Handflächen hin und her.
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein.«
    »Es ist eine tolle Sache, Sie sollten es probieren. Natürlich muss man einiges dafür tun, dass es auch funktioniert. Im College habe ich Yachtregatten gesegelt, und manchmal kommt es mir so vor, als sei Ehe nichts anderes, als ein großes Boot zu pflegen. Man muss sich Zeit dafür nehmen, und dann geht alles gut, wenn man sich aber nicht drum kümmert, geht eben alles zum Teufel.«
    »Bereitete Jamey Ihnen sonst noch irgendwelche Probleme?«
    »Nein«, antwortete er, »Heather ging großartig mit ihm um.«
    »Was meinen Sie mit umgehen?«
    Jetzt trommelte er mit den Fingern auf den Tisch.
    »Ich muss Ihnen sagen, Dr. Delaware, dass Sie mir mit Ihren Fragen erheblich auf die Nerven gehen.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ihre ganze Art passt mir nicht. Ich komme mir fast so vor, als läge ich auf der Couch und würde analysiert! Ich möchte wissen, was meine Ehe damit zu tun hat, ob Jamey nun ins Gefängnis oder in eine Heilanstalt kommt.«
    »Natürlich sind Sie kein Patient, aber doch eine wichtige Informationsquelle. Und ich muss einfach einige Dinge wissen, um mein Gutachten erstellen zu können. Sie brauchen doch auch eine solide Basis, wenn Sie Häuser bauen.«
    »Das stimmt zwar, aber wir graben auch nicht einen Zentimeter tiefer, als die Geologen verlangen.«
    »Mein Fach ist leider nicht so exakt wie die Geologie.«
    »Genau das ist es, was mich so daran stört.«
    Ich schloss mein Notizbuch.
    »Vielleicht wäre ein anderer Zeitpunkt für unser Gespräch besser geeignet.«
    »Es wird keinen geeigneteren Zeitpunkt geben. Ich möchte nur, dass Sie auf dem Teppich bleiben.«
    Er kreuzte die Arme über der Brust und blickte an mir vorbei. Die Augen hinter seiner Brille blickten starr und geistesabwesend.
    »Eines müssen Sie unbedingt im Auge behalten, Mr. Cadmus«, sagte ich in beiläufigem Ton. »Eine Gerichtsverhandlung ist ein Schauspiel, das, was früher eine öffentliche Auspeitschung war. Wenn es einmal begonnen hat, wird kein Ereignis aus Jameys Leben ausgespart werden, und auch nicht aus Ihrem. Die Krankheit Ihrer Mutter, die Beziehung Ihrer Eltern, Ihres Bruders Ehe und Selbstmord, Ihre eigene Ehe - all das wird zum Leckerbissen der Journalisten, Zuschauer und Geschworenen. Und wenn der Stoff spannend genug ist, wird vielleicht sogar jemand ein Buch darüber schreiben. Verglichen damit ist unser Gespräch ein Spaziergang im Vergnügungspark. Wenn Sie nicht mal das aushalten, werden Sie es ganz schön schwer haben.«
    Er lief rot an, biss fest die Zähne aufeinander, sein Mund zuckte. Seine Schultern verkrampften sich, dann fielen sie kraftlos herab. Plötzlich wirkte er wie ein hilfloses Kind, wie ein kleiner Junge, der sich in eine Vorstandsetage verirrt hat. Mit vor Ärger erstickter Stimme sagte er:
    »Wir opfern uns auf für den kleinen Mistkerl. Jahrelang. Und dann geht er hin und tut so entsetzliche Dinge!«
    Ich stand auf und ging zur Bar. Er hatte seinen Drink mit Glenlivet gemixt, einer meiner Lieblingsmarken. Ich goss mir ein, mixte ihm dann einen zweiten Drink und reichte ihn ihm. Er nickte dankbar, hatte nicht die Kraft zu sprechen. Einige Minuten saßen wir ruhig da und tranken.
    Schließlich sagte Cadmus: »Also gut, bringen wir’s hinter uns.«
    Wir fuhren da fort, wo wir aufgehört hatten. Dreimal bekräftigte Cadmus, dass seine Ehe dadurch, dass er und seine Frau Jamey aufgezogen hatten, nicht den geringsten Schaden erlitten hätte. Er gab allerdings zu, dass das Leben mit dem Jungen nicht immer einfach gewesen sei. Dies alles sei konfliktfrei verlaufen, weil seine Frau eine so große Begabung im Umgang mit Kindern

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