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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ich schwul bin, und deshalb mehr sagen würden. Dabei ist das überhaupt nicht so. Wenn ich reinkomme, sehen die mich misstrauisch an und halten den Mund, wie bei jedem anderen Polizisten auch. Was wollen die denn von mir? Soll ich ein Verhör mit der Erklärung beginnen, dass ich schwul bin? Soll ich mich im Namen dieses gottverdammten Jobs entwürdigen?«
    Der Kaffee und der Cocktail wurden serviert. Ich nahm einen Schluck, er hob sein Glas und sah mich schuldbewusst an, bevor er es an die Lippen setzte.
    »Ja, ich weiß schon. Ich brauche wohl den Karton Dosenbier nicht zu erwähnen, den ich zum Mittagessen reingeschüttet habe.«
    Ich schwieg.
    »Zum Teufel, ich bin allein, in der Minderheit und anders als die so genannten Normalen. Prost!«
    Als er seinen Cocktail ausgetrunken hatte, begann ihm der Kopf schwer zu werden. Er bestellte sich ein weiteres Glas und schüttete es in einem Zug herunter. Seine Hände zitterten, als er es wieder abstellte, und seine Augen waren gerötet. Ich stand auf, warf ein paar Geldscheine auf den Tisch und sagte ermunternd: »Komm, brechen wir auf, solange du noch gehen kannst.«
    Er wollte nicht, lamentierte, dass er gerade erst angefangen hätte, und summte eine Melodie. Schließlich gelang es mir, ihn aus dem Goldenen Adler an die frische Luft zu bringen. Auf dem Parkplatz war es dunkel, es roch nach Flugbenzin, aber trotzdem war es hier draußen nach der stickigen Luft in der Bar erfrischend.
    Milo schwankte mit der übertriebenen Vorsicht eines Betrunkenen neben mir, ich fürchtete, dass er hinfallen würde. Der Gedanke, einen zweihundertdreißig Pfund schweren betrunkenen Polizisten hochhieven und hinter mir herziehen zu müssen, begeisterte mich nicht, deshalb war ich froh, als wir meinen Seville gefunden hatten. Ich führte ihn auf die Beifahrerseite und schloss die Tür auf. Milo ließ sich hineinfallen.
    »Wohin fahren wir jetzt?«, fragte er, streckte seine Beine aus und gähnte.
    »Wir machen eine Rundfahrt.«
    »Großartig.«
    Ich drehte die Scheiben herunter, startete den Wagen und fuhr auf der 405 nach Norden. Da wenig Verkehr herrschte, erreichten wir schnell die 90, und als wir am Yachthafen Marina Del Rey den Highway verließen, war er eingeschlafen. Auf dem Mindanao-Kai passierten wir einige Luxuseinkaufszentren, dann fuhr ich direkt ans Wasser. Die Luft war feucht und salzhaltig und roch ein wenig unangenehm. Hunderte von Segelbooten wiegten sich leise auf dem glänzenden schwarzen Wasser, ihre Masten glichen Schilf. Der Mond brach sich in tausenden gelblichen Facetten auf der Oberfläche des Wassers. Im Wagen spürte man die kräftige Brise von draußen. Milo öffnete die Augen und richtete sich stöhnend auf. Nach einem Blick durch das Fenster sah er mich konsterniert an.
    »Mensch«, sagte er mit alkoholschwerer Zunge, »ich habe dir doch erzählt, dass du vorsichtig sein sollst.«
    »Worüber redest du eigentlich?«
    »Hier hält sich Radovic auf, Junge. Das Arschloch hat hier im Hafen ein altes Motorboot liegen.«
    »Ach ja, ich erinnere mich, dass Souza so etwas erwähnte.«
    Milo beugte sich, nach Schweiß und Gin riechend, zu mir herüber.
    »Und du bist so ganz zufällig hierher gefahren?«
    »Du brauchst keinen Verfolgungswahn zu bekommen, Milo. Ich dachte nur daran, dass die gute Luft dein vernebeltes Gehirn ein wenig auffrischen würde.«
    »Entschuldige bitte«, murmelte er und schloss seine Augen. »Ich werde immer misstrauischer.«
    »So zu leben muss sehr anstrengend sein.«
    Er versuchte, das mit einem Schulterzucken abzuwehren, und fing plötzlich an zu würgen. Er ballte die Fäuste und hielt sich den Magen. Schnell fuhr ich auf den Parkstreifen und bremste. Es gelang mir gerade noch, um den Wagen herumzulaufen und die Beifahrertür zu öffnen. Er stürzte hinaus, torkelte, kam wieder hoch, dann erbrach er sich mehrfach. Ich griff mir ein Bündel Papiertaschentücher aus dem Handschuhfach und wischte damit sein Gesicht ab.
    Erschöpft und schnaufend setzte er sich wieder in den Wagen, beugte den Kopf zurück und zitterte am ganzen Leib. Nachdem ich seine Tür zugemacht hatte, setzte ich mich auf den Fahrersitz.
    »Habe ich dir auf den Lack gekotzt?«, fragte er heiser.
    »Nein, du hast ihn nicht getroffen. Fühlst du dich jetzt besser?«
    Als Antwort erhielt ich nur ein Stöhnen.
    Ich wendete den Wagen, suchte den Lincoln Boulevard und fuhr auf ihm nordwärts durch Venice nach Santa Monica. Milo hustete trocken, machte es sich auf dem Sitz

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