Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
bequem und ließ seinen Kopf auf die Brust sinken. Er war sofort wieder eingeschlafen und fing an zu schnarchen.
Langsam fuhr ich durch die von Küstennebel erfüllten Straßen, atmete tief die Meeresluft ein und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Es war nach elf Uhr, und außer Trampern, Obdachlosen und mexikanischen Tellerwäschern, hinter denen in den Steakhäusern das Licht ausgemacht wurde, war kein Mensch mehr unterwegs. Als ich rechts nach Montana einbog, stieß ich auf ein Pfannkuchenhäuschen. Es stand mitten auf einem riesigen asphaltierten Parkplatz und strahlte die Gemütlichkeit eines Bildes von Edward Hopper sowie den Geruch nach Bratfett aus.
Ich hielt daneben an, ließ Milo schlafen, stieg aus und kaufte einem pickeligen Jungen, der einen Walkman trug, eine Riesenportion Kaffee ab.
Als ich damit zum Wagen zurückkam, war Milo wach. Seine Haare waren zerzaust, seine Augenlider fielen immer wieder vor Müdigkeit zu. Er griff nach dem Becher, hielt ihn mit beiden Händen fest und trank.
»Trink aus«, sagte ich, »ich möchte dich in ordentlichem Zustand bei Rick abliefern.«
Sein Gesichtsausdruck wurde starr, dann brach es aus ihm heraus: »Rick ist in Acapulco, schon seit einigen Wochen.«
»Macht ihr getrennten Urlaub?«
»So ähnlich. Ich habe mich wie ein Idiot benommen, er hatte eine Trennung bitter nötig.«
»Wann kommt er zurück?«
Der aus dem Kaffee aufsteigende Dampf hüllte sein Gesicht ein und verbarg seine Verzweiflung.
»Ich weiß es nicht. Er hat mir bis jetzt nur eine Postkarte geschickt, über das Wetter. Er hat sich Urlaub genommen und’ne Masse Geld gespart, theoretisch könnte er lange wegbleiben.«
Seine Gesichtszüge entspannten sich wieder, als er trank.
»Ich hoffe, dass ihr euch wieder vertragt«, sagte ich.
»Das hoffe ich auch.«
Die Stille wurde jäh durch einen riesigen Tanklastzug unterbrochen, der den Boden erzittern ließ. Hinter der Theke des Pfannkuchenhäuschens inspizierte der Jüngling die Tiefkühlschränke und hopste dabei nach der Melodie seines Walkmans herum.
»Wenn du jemanden zum Reden brauchst, kannst du mich immer anrufen. Du hast es bei mir nicht nötig, dich wie ein Fremder zu benehmen.«
Er nickte zustimmend.
»Ich bin froh darüber, Alex. Es ist, als ob ich einen Winterschlaf gehalten hätte. Einsamkeit ist eine seltsame Sache. Zuerst macht sie dich verrückt, dann findest du schließlich Gefallen dran. Wenn ich abends nach Hause komme und den ganzen Tag mit zahlreichen Leuten gesprochen habe, kann ich keine menschliche Stimme mehr hören; alles, was ich mir dann wünsche, ist Stille.«
»Wenn ich mit Cash und Whitehead zusammenarbeiten müsste, würde mir das genauso gehen.«
Er lachte.
»Der Doppelflop? Zwei Superstars.«
»Sie hielten mich für schwul, weil ich mit dir befreundet bin.«
»Ein klassischer Fall von Beschränktheit. Deshalb taugen beide nicht viel als Polizisten. Tut mir Leid, wenn sie dich schikaniert haben.«
»Sie waren eigentlich nicht bösartig, eher schrecklich dumm. Ich kann mir nicht oder nur schwer vorstellen, wie du mit den beiden zurechtkommst.«
»Wie ich vorhin schon sagte, habe ich eine andere Wahl? Es könnte mir wirklich Schlimmeres passieren. Whitehead ist ein Dummkopf und gegen Schwule, aber er ist auch gegen alle anderen: Juden, Schwarze, Frauen, Konservative, Vegetarier, Mormonen. Deshalb fühlt man sich eigentlich nicht persönlich getroffen. Dazu kommt noch, dass er eine Heidenangst vor Aids hat und sich deshalb zurückhält. Cash würde gar nicht so schlecht sein, wenn er nicht ständig hinter den Weibern her wäre. Sonst kümmert er sich nur um seine Gesichtsbräune.«
»Richtig scharf auf Arbeit, nicht?«
»Der liebe Dick? O ja. Ich weiß nicht, ob du schon mal etwas darüber gehört hast, aber vor ein paar Jahren wurde der Beverly Hills Police von der Regierung Geld zur Verfügung gestellt, um einen Ring von Kokaindealern zu sprengen, der sämtliche Filmstars versorgte. In diesem Projekt wurde Cash verdeckt als Agent eingesetzt. Sie kauften ihm eine Garderobe von Giorgio, mieteten einen Excalibur und eine Villa oben in Truesdale; sie stellten ihm ein fettes Bankkonto zur Verfügung und bauten ihn als Rauschgiftboss mit eigener Produktion auf. Sechs Monate lang besuchte er Partys, bumste Starlets und gab an. Zu guter Letzt fingen sie ein paar kleine Fische, aber die musste man bald wieder freilassen. Ein wirklicher Triumph der Gerechtigkeit. Als alles vorbei war, durfte Cash die
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