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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hatte sich auf dem Bürgersteig versammelt. Wenn einer von ihnen zum Haus vordringen wollte, versperrten ihm die Wächter den Weg. Die wiederholten Versuche der Reporter und die Reaktionen der Wächter wirkten wie ein Menuett. Ganz an der Seite unter einem vorgezogenen Dach stand Souzas Rolls-Royce mit dem Kühler dicht vor einem hohen schmiedeeisernen Tor. Vor dieser Staatskarosse stand Tully Antrim und wienerte mit einem Wagenleder den glänzenden Lack, wobei er ständig die Straße im Auge behielt. Als er meinen Seville sah, bedeutete er mir, direkt hinter dem Phantom zu parken.
    Die Reporter hatten gespürt, dass etwas vor sich ging, und drängten nach vorn, als ich vorfuhr. Die Wächter stellten sich ihnen entgegen. Einer der Journalisten, ein junger Mann, Brillenträger, Cordanzug, nutzte die allgemeine Unruhe aus und machte einen Ausfall zur Eingangstür.
    Antrim handelte sofort. Mit drei langen Sätzen war er an der Seite des Reporters, mit einem weiteren befand er sich zwischen dem Mann und der Tür. Er starrte ihn finster an und befahl ihm, sich zu entfernen. Der Mann fing an zu diskutieren, Antrim schüttelte jedoch den Kopf. Der Reporter stürzte plötzlich vorwärts, doch der Chauffeur schlug ihm sofort einen Haken in den Magen. Der junge Mann wurde kreidebleich, riss stumm seinen Mund auf und umklammerte schmerzerfüllt seinen Unterleib. Antrim stieß ihn so lange zurück, bis der Mann sich von selbst entfernte. Inzwischen war auch eine der Wachen zur Stelle und zog den Reporter, der immer noch nach Luft schnappte, vom Grundstück herunter.
    Vom Wagen aus hatte ich die Szene beobachtet, während sich viele Gesichter von außen an die Windschutzscheiben pressten und eine Flut von Fragen auf mich abgeschossen wurde. Ausgestreckte Mikrofone verbargen mir fast völlig die Sicht. Während der Mann im braunen Cordanzug auf seinen Wagen zutaumelte, rief er seinen Kollegen etwas zu, worauf diese erregt auf Antrim und die Wachen einschrien. Als sie sich deshalb von meinem Seville entfernten, nutzte ich die Gelegenheit, um aus dem Wagen zu schlüpfen und mich hinter dem Rolls zu verstecken. Antrim, der das bemerkt hatte, eilte zu mir. Inzwischen hatte sich das Geschrei gelegt, doch bevor die Reporter auf uns aufmerksam wurden, hatte mich Antrim am Arm gepackt, einen Schlüsselbund aus der Tasche gezogen und das schmiedeeiserne Tor aufgeschlossen.
    »Blöde Arschlöcher«, murmelte er und stieß mich nicht gerade freundlich durch das Tor.
    Die Journalisten drängten sich um den Rolls und versuchten, über dessen riesige Ausmaße hinweg etwas zu erspähen. Da die Wachen ihnen wieder auf den Pelz rückten, gab es lautstarke Auseinandersetzungen.
    Antrim führte mich zu einem Seiteneingang und klopfte an. In einem kleinen Fenster nahe der Tür wurde die Gardine beiseite geschoben, ein Gesicht erschien und verschwand wieder. Dann wurde die Tür von einem dickbäuchigen Wachmann geöffnet.
    »Das ist der Doktor, den sie erwartet«, sagte Antrim und drängte sich an ihm vorbei. Der Wachmann berührte seinen Revolvergriff und erwiderte finster, um das Gesicht zu wahren: »Kommen Sie rein.«
    Ich folgte dem Chauffeur in eine riesige dottergelbe Küche. Mitten im Raum stand ein großer, mit einem gemusterten Baumwolltuch gedeckter Tisch. Auf der Tischdecke verstreut waren eine Taschenlampe, eine Thermosflasche, zwei in Plastikfolie eingewickelte Schinkenbrötchen und eine Ausgabe des National Enquirer. Über einer Stuhllehne hing eine graue Uniformjacke. Nachdem Antrim eine Schwingtür aufgestoßen hatte, kamen wir durch eine Anrichte und ein dunkel getäfeltes Speisezimmer, dessen Wände mit bronzenen Kerzenleuchtern verziert waren. Ein Linksschwenk führte uns in eine Eingangshalle mit einer kuppelartigen Wölbung. Im Hintergrund sah man eine geschnitzte Eichentreppe. Von oben aus dem Treppenhaus hörte man Staubsaugergeräusche. Wir durchquerten die Halle und stiegen zwei Stufen hinab in einen geräumigen, grau getönten Salon mit beigefarbigen Wolltapeten. Lichtundurchlässige Vorhänge waren vor die Fenster gezogen, zwei Tischlampen bildeten die einzigen Lichtquellen.
    Der Raum war mit wenigen, aber kostbaren Möbeln ausgestattet: steife, mit matt glänzendem, farblosem Damast gepolsterte Sofas, ein Paar Queen-Anne-Sessel mit gleichem Bezug, schmalbeinige Chippendale-Tische, die nach Zitronenöl dufteten. In einer entfernten Ecke stand ein großer, schwarz glänzender Steinway-Flügel. An den Wänden hingen Stillleben

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