Jan Fabel 01 - Blutadler
Verfechter von Recht und Ordnung, natürlich auf keinen Fall an die große Glocke hängen: dass er mit der ukrainischen Mafia Geschäfte macht.«
Maria las weiter. »Mist. Hör dir das an. Einer der Gründe dafür, dass das FBI Sturchak bisher nichts nachweisen kann, hat mit dem Aufbau der Odessa-Mafia zu tun. Sie unterscheidet sich grundlegend von der italienischen Mafia, denn sie besteht aus Zellen mit einem ›Pachan‹ oder Boss an der Spitze. Jede Zelle ist in vier Gruppen unterteilt, die unabhängig voneinander operieren. Niemand hat einen direkten Kontakt zum Pachan, der sich durch einen ›Brigadeführer‹ vertreten lässt. Außerdem heuert die Odessa-Mafia ›freie Mitarbeiter‹ an, die nicht unbedingt russischer oder ukrainischer Herkunft sind. Sie erledigen einen einzigen Job, werden bezahlt und haben keine Ahnung, für wen sie gearbeitet haben. Darum sind die Chancen des FBI, je zu Sturchak vorzudringen, praktisch gleich null.«
»Und deshalb will es unbedingt wissen, ob wir auf eine direkte Verbindung Sturchaks zu verbrecherischen Aktivitäten gestoßen sind?«
»Genau. Aber das ist noch nicht alles. Die russische und ukrainische Mafia scheinen kaum Rauschgiftgeschäfte zu machen, sondern sich auf Finanz- und High-Tech-Betrug zu konzentrieren. Hauptsächlich wickelt sie illegale Finanztransfers ab und gründet Import-Export-Scheinfirmen, um die Erträge ihrer Verbrechen in Russland und der Ukraine in den USA zu waschen, gewöhnlich mit Hilfe von europäischen Banken oder über Investirions- und Grundstücksgeschäfte.«
»Wie hier in Hamburg.« Fabel gestattete sich einen kurzen Moment der Genugtuung. Die Stücke in einer kleinen Ecke des Puzzles fügten sich zusammen. Es mochte nur um die Eitels gehen, aber zumindest bestand die Chance, dass jemand für seinen Anteil an all dem Gemetzel büßen würde. Er sprang auf und griff nach dem Kontennachweis und dem Codeschlüssel. »Komm, lass uns mit unseren Kollegen von den Wirtschaftsdelikten reden.«
Polizeipräsidium Hamburg,
Samstag, den 21. Juni, 13.30 Uhr
Markmann glich eher einem Rechnungsprüfer als einem Polizisten. Er war ein kleiner, gepflegter Mann, dessen makelloser blauer Anzug für wuchtigere Schultern geschneidert zu sein schien. Er schüttelte Fabel mit übertriebener Dynamik die Hand.
»Ich habe mir die Einzelheiten der vorliegenden Konten angesehen, Herr Fabel«, sagte Markmann mit einem leichten Lispeln. »Sie werfen genug Fragen auf, um uns die Beantragung einer Beschlagnahmung der Akten der betroffenen Unternehmen und der Beteiligten zu ermöglichen. Allerdings können wir die Eitels nicht länger festhalten, sofern Sie nichts in der Hand haben ...«
Fabel lächelte. »Im Moment habe ich nur Verdachtsmomente ... und Bluff zu bieten. Mal sehen, ob wir sie nicht wenigstens ein bisschen aus der Fassung bringen können. Zuerst nehmen wir uns Eitel senior vor.«
Die Szene schien für ein Vernehmungszimmer typisch zu sein. Jeweils zwei Männer saßen an beiden Seiten des Tisches. Einer war aufgestanden, stützte die Arme auf den Tisch und musterte sein Gegenüber. Der andere erwiderte den Blick und versuchte, sich nicht einschüchtern zu lassen. Aber etwas an diesem Bild stimmte nicht: Es waren die Polizisten, die im Schatten von Wolfgang Eitel saßen. Fabel merkte, dass sich das psychologische Gleichgewicht während des Verhörs entscheidend zu Eitels Gunsten verlagert hatte. Es galt, der Waagschale einen raschen Tritt zu versetzen.
»Setzen Sie sich!«, befahl Fabel, als er das Zimmer betrat. Eitel richtete sich zu seiner eindrucksvollen Größe auf und betrachtete Fabel an seiner Adlernase hinab. »Hören Sie auf mit Ihrem aristokratischen Gehabe, Herr Eitel«, meinte Fabel verächtlich. »Wir alle wissen, dass Sie ein bayerischer Bauernsohn sind. Über andere die Nase zu rümpfen ist nicht schwer, wenn man die halbe Kindheit knietief im Schweinekot gestanden hat. Nun setzen Sie sich!«
Waalkes, der Leiter der Rechtsabteilung der Eitel-Gruppe, sprang wütend auf. »Sie können nicht ... Sie können einfach nicht ...« Vor Empörung überschlugen sich seine Worte. »Das ist unerträglich. Ich kann nicht dulden, dass Sie auf diese Weise mit meinem Mandanten reden. Das ist eine Beleidigung.«
Eitel lächelte und bedeutete Waalkes, sich hinzusetzen, was dieser tat. Es war, als dirigiere ein Schafhirte seinen Hund. »Beruhigen Sie sich, Herr Waalkes. Ich glaube, Herr Fabel möchte uns ganz einfach durcheinander
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