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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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sicherzustellen, aber ich glaube, sie stammen von derselben Person. Von jemandem, der seit einiger Zeit mit Frau Blüms Wohnung, äh, sehr vertraut ist. Wahrscheinlich ist es nicht unser Mann.«
    Fabel fühlte sich plötzlich bleiern und schwach, als hätte der Adrenalinschub nachgelassen und wäre wieder von einer körperlichen und seelischen Müdigkeit abgelöst worden. Er kehrte zurück in Angelika Blüms Arbeitszimmer.
    Er blickte hinunter auf den verwüsteten Kadaver, der einst Angelika Blüm gewesen war. Die Techniker hatten einen Leichensack ausgebreitet und waren dabei, die Überreste hineinzulegen. Er sah zu, während sie den Reißverschluss über einer Frau zuzogen, die mehrere Male versucht hatte, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ihre Anrufe waren ihm nebensächlich vorgekommen, weil er wichtige Untersuchungen in einem Mordfall leiten musste. Nun war sie selbst zu einem Teil seiner Ermittlungen geworden. Er spürte das Blei in der Brust, das von seinem Schuldgefühl herrührte, und sprach zu einem Menschen, der ihn nun nicht mehr hören konnte: »Also, Frau Blüm, jetzt finde ich wohl besser heraus, was zum Teufel Sie mir sagen wollten.«
     

 
    Hamburg-Harburg,
    Sonntag, den 15. Juni, 9.45 Uhr
      Hansi Kraus glich eher einem Windhund als einem Menschen: eine kleine, fast scheppernde Kombination aus Knochen, die von einer grauen, ledernen Haut zusammengehalten wurden. Seine Augen, tief in einem verkniffenen Nagetiergesicht sitzend, waren in seiner Kindheit hellblau gewesen, hatten jedoch nach fünfzehnjährigem Konsum gewaltiger Heroinmengen eine leblose, bläulich-graue Farbe angenommen. Hansi lag auf einer großen, schmutzbefleckten Matratze, die einen schalen, Ekel erregenden Geruch ausströmte, der durch das Schlafzimmer des besetzten Hauses zog - einen Geruch, den er nicht bemerkte, weil er ihn dauernd mit sich herumtrug. Er lag da und stützte den Kopf auf eine seiner Hände, während die andere eine Zigarette an seine dünnen Lippen führte. 
    Hansi brauchte Stoff. Und zwar bald. Er wusste, dass das knospende Unbehagen in seinem mageren Körper bald zu einem reißenden Schmerz aufblühen würde. Um Stoff zu bekommen, braucht man Geld, und Hansi hatte keines. Und trotz des Umfangs und der Regelmäßigkeit seiner Käufe waren Hansis Lieferanten nicht bereit, ihm Kredit zu gewähren. Scheiß-Türken. Aber Hansis Geschäftsposition hatte einen unerwarteten Auftrieb bekommen.
    Er schwang die Beine herum und setzte sich auf den Bettrand. Während er die Augen zusammenkniff, um sie vor dem Rauch seiner Zigarette zu schützen, griff er mit beiden Händen unter das Bett. Der Gegenstand war noch da. Er blieb ein paar Sekunden lang bewegungslos sitzen und lauschte mit halb geschlossenen Augen den Geräuschen aus anderen Teilen des besetzten Hauses: einem tuberkulös klingenden Husten von unten und einem Radio im Nachbarzimmer. Hansi zog ein kleines Bündel, das mit zwei verschmutzten Fetzen umwickelt war, hervor und legte es auf die Matratze. Vorsichtig schob er den Stoff zurück, sodass eine glänzende 9-mm-Automatik zu sehen war. Hansi verstand nichts von Pistolen, aber er begriff, dass diese etwas Besonderes sein musste. Sie wirkte teuer. Ihre Seite war mit Schmuckmotiven verziert, die mit Gold eingelegt zu sein schienen. Die Herstellermarke war mit kyrillischen Großbuchstaben eingeprägt - russisch oder irgend so ein Mist, dachte Hansi -, gefolgt von der Zahl zwölf. Hansi faltete die Fetzen wieder sorgfältig zusammen und achtete darauf, die Waffe nicht zu berühren. Auf keinen Fall wollte er in das verwickelt werden, was dem armen Hund im Schwimmbecken zugestoßen war.
    Es war vorgestern Nacht gewesen. Hansi hatte etwas Stoff von dem Türken gekauft. Die leer stehende Schwimmhalle diente häufig als Schauplatz für seine Geschäfte. Immer wenn er genug Bares hatte, legte er sich eine gewisse Menge Heroin zu und setzte einiges davon an andere ab. Den Türken machte das nichts aus, solange er ihnen nicht in die Quere kam. Am Freitag hatte Hansi kein Geld übrig gehabt und sich nur leisten können, genug für seinen eigenen Konsum zu kaufen. Der Türke hatte seine Runde gerade fortgesetzt, als Hansi den Drang verspürte, seinen Darm zu entleeren. Er war an die sich abwechselnden Perioden dumpfer Verstopfung und stechenden Durchfalls gewöhnt, die mit einer langen Sucht einhergehen.
    Kaum hatte er seine Notdurft auf dem Fußboden verrichtet, da hörte er ein Auto bremsen. Er war nicht durch das Strahlen von

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