Jan Fabel 01 - Blutadler
wurde zu einer ohrenbetäubenden Explosion von Tanzmusik, als sie aus dem Vorraum in den Hauptsaal vordrangen. Strobolight und Laser pulsierten mit der Musik. Hunderte von Gästen wanden sich auf dem Tanzboden, der unter ihn umkreisenden Laufstegen lag, doch die brodelnde Masse der Körper war nicht so undurchdringlich, wie sie am Wochenende oder auch nur an einem der anderen Wochentage sein würde. Trotzdem war es eine abschreckende Aufgabe, eine einzige Person in diesem Gewimmel finden zu müssen.
Anna zog die zu großen Schultern ihrer Lederjacke hoch. »Was tut man als Erstes, wenn man einen Club betritt?«
»Man holt sich was zu trinken.« Paul musterte den Rand der Tanzfläche. An der anderen Seite war eine breite, leicht erhöhte Bar.
Sie trennten sich voneinander und arbeiteten sich an beiden Seiten des Tanzbodens vor, wobei sie nach MacSwain Ausschau hielten. Kurz darauf trafen sie an den entgegengesetzten Enden der hufeisenförmigen Bar ein. Es ist eine Kunst, einen Raum nach einem Verdächtigen abzusuchen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Diese Kunst ging Paul ab. Die Natur hatte ihm das Aussehen eines Mannes verliehen, der am besten in eine Polizeiuniform zu passen schien. Umgeben von modisch und oft spärlich bekleideten Gästen, wusste Paul, dass es für ihn ratsam war, so weit wie möglich ins Gedränge zurückzuweichen. Er schob sich an die Bar und bestellte ein Bier.
Von seinem Standpunkt aus konnte er Anna sehen. Sie beherrschte die erwähnte Kunst meisterhaft, denn sie erweckte den Anschein, dass sie sich auf die Musik und die Tanzfläche konzentrierte, während sie nur gelegentlich und desinteressiert zur Bar hinüberblickte. Sie kam Paul näher, als sie MacSwain entdeckte. Als Erstes fiel ihr sein Äußeres auf. Sie hatte MacSwain nie zuvor aus der Nähe gesehen und sich auf ein Amtsfoto verlassen müssen. Er hatte ein breites, kräftiges Gesicht mit schwerem Kiefer und hervorstehenden Wangenknochen. Seine Augen glichen funkelnden Smaragden.
MacSwain war an der Bar in ein Gespräch mit zwei Blondinen vertieft, die jedem seiner Worte fasziniert zu folgen schienen, wie auf Befehl lachten und hypnotisiert in seine grünen Augen starrten. Anna merkte, dass sie ihn etwas zu lange angeschaut hatte, und wandte sich von der Gruppe ab. Langsam glitten ihre Augen über den Tanzboden hinweg, bis sie auf Paul verharrten. Eine subtile Bewegung zeigte MacSwains Position an, und Paul nickte bestätigend. Wie zufällig drehte sie sich wieder zu MacSwain um, der seine grünen, bohrenden Augen auf sie gerichtet hatte. Anna verspürte ein Flattern der Aufregung, ließ sich jedoch keine Emotion anmerken. Sie schaute in alle Richtungen außer in die Pauls, damit MacSwain keinen Hinweis auf seinen anderen Beobachter erhielt. Das Herz hämmerte ihr in der Brust, doch sie blieb äußerlich kühl.
Anna ließ ihren Blick zu MacSwain zurückkehren. Seine Augen waren immer noch auf sie gerichtet. Die beiden Blondinen führten ein kicherndes Gespräch miteinander. Verdammt, dachte sie, er ist mir auf die Schliche gekommen. MacSwains Mundwinkel waren zu einem wissenden Lächeln verzogen. Anna konnte nur hoffen, dass Paul ihn im Auge behielt, während sie von der Bildfläche verschwand und Unterstützung anforderte. Stumm fluchte sie vor sich hin: Wieder hatten sie eine Observation versaut. Fabel lag im Krankenhaus, und wenn er ins Präsidium zurückkehrte, würde er erfahren, dass sie sich von MacSwain hatte entlarven lassen. Dessen wissendes Lächeln wurde zu einem Grinsen. Nur zu, du Klugscheißer, dachte Anna, reib es mir unter die Nase. Dann wurde ihr klar: Herrje, er ist mir überhaupt nicht auf die Spur gekommen - der Mistkerl baggert mich an!
Sie erwiderte sein Lächeln. MacSwain sagte etwas zu den beiden Blondinen und machte eine entschuldigende Geste. Die beiden waren alles andere als erfreut und entfernten sich, um sich eine leichtere Beute zu suchen. MacSwain ging ein paar Schritte auf Anna zu, und sie wusste automatisch, dass Paul versuchen würde, ihn abzufangen. Sie drängte sich an MacSwain vorbei, lehnte sich an den Tresen, bevor er die Bar erreichen konnte, und bestellte einen Rye and Dry.
MacSwain wandte sich lächelnd zur Bar. »Darf ich dich dazu einladen?«
»Warum?«, erwiderte Anna kühl und unbeeindruckt. Über MacSwains Schulter hinweg sah sie Paul herankommen. Er verstand ihre leichte Augenbewegung sofort und verschwand wieder im Dickicht der Designerkleidung.
»Weil ich es
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