Jan Fabel 01 - Blutadler
dass du einer Frau noch mal so an die Wäsche gehst, werde ich mich persönlich um dich kümmern. Wo ist dein Ausweis?«
Er kramte in den Taschen seiner Jacke und zog seinen Personalausweis hervor. Anna quetschte erneut seine Hoden, ließ sie los und betrachtete das Dokument.
»Schön, Markus, jetzt weiß ich, wo du wohnst. Vielleicht komme ich mal vorbei, damit wir ein neues Spiel machen können.« Dicht vor seinem Gesicht zischte sie: »Und jetzt verpiss dich!« Sie warf seinen Ausweis auf den Boden, sodass er sich bücken musste, um ihn aufzuheben. Eine Hand war an seinen schmerzenden Unterleib gepresst, als er in die entgegengesetzte Richtung wie seine Gefährten davonlief.
Anna steckte die Pistole ins Halfter und wandte sich an den dicken Budenbesitzer. »Ist was, Fettwanst?«, fragte sie mit ihrem lieblichsten Schulmädchenlächeln.
Der Budenbesitzer schüttelte den Kopf und hob die Hände. »Überhaupt nichts, Fräulein.«
»Dann gib mir noch 'nen Kaffee, Dicker.« Anna drehte sich um und sah, dass die Lichter in MacSwains Wohnung erloschen waren. Ihr Blick glitt über die Ausgänge und die Straße vor dem Gebäude. Nichts. Sie zog ihr Funkgerät aus der Jackentasche. »Paul, ich glaube, MacSwain ist unterwegs. Hast du ihn rauskommen sehen?«
»Nein. Und du?«
»Nein. Bin abgelenkt worden.« Sie ließ den Knopf an ihrem Funkgerät los und drückte ihn sofort wieder, als ein silberner Porsche aus der Tiefgarage auf die Fahrbahn einbog. »Es geht los. Hol mich ab, Paul. Zack, zack!«
Paul fuhr in dem zerbeulten alten Mercedes vor, der zur Observation eingesetzt wurde. Außen vergammelt, doch unter der Haube kräftig aufgepeppt.
Die Muskeln in Pauls gewöhnlich ausdruckslosem Gesicht schienen sich zu einem ironischen Grinsen zu verziehen, als Anna in den Wagen stieg. Mit ihrem stacheligen Haar, dem sorgfältigen Make-up und ihrer übergroßen Lederjacke sah sie aus wie ein Schulmädchen, das noch nicht die Feinheiten der Kosmetik beherrscht und zum ersten Mal einen Nachtclub aufsucht.
»Was ist so witzig, du Schlaks?«, fragte Anna.
»Du hast dir wieder einen Spaß gemacht, stimmt's?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.« Anna konzentrierte sich auf den silbernen Porsche zwei Autos vor ihnen.
»Als ich unten an der Straße geparkt habe, sind zwei Skinheads so schnell vorbeigerannt, als hätten sie den Teufel gesehen. Das warst doch nicht etwa du?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon du sprichst.« Sie stoppten in einer Schlange an einer Verkehrsampel. Paul verdrehte seinen langen Hals, um sich zu überzeugen, dass der Porsche nicht bereits weitergefahren war. Der Wagen stand noch vor ihnen. Er drehte sich zu Anna um und bemerkte durch das Beifahrerfenster einen vierschrötigen Skinhead, der sich, die Hände auf den Knien, vornüberbeugte und nach Atem rang. Sein Gesicht war blutverschmiert. Er blickte die Straße hinunter, als wolle er sicher sein, dass er nicht verfolgt wurde. Seine Augen trafen auf die von Paul, und dann bemerkte er Anna. Sie warf ihm mit ihren vollen roten Lippen einen langen, sinnlichen Kuss zu und machte dabei ein schmatzendes Geräusch. Der Skinhead erstarrte vor Angst und hielt Ausschau nach einem Fluchtweg. Die Ampel sprang um, und der Mercedes setzte sich in Bewegung. Anna kräuselte die Nase und wedelte wie zu einem niedlichen Abschiedsgruß mit den Fingern.
»Überhaupt keine Ahnung«, wiederholte sie, und ihre Miene spiegelte übertriebene Unschuld wider.
Paul sah im Rückspiegel, wie der Skinhead in schlaffer Erleichterung dastand und dem Mercedes mit leerem Blick nachstarrte.
»Anna, sei bloß vorsichtig. Irgendwann könntest du dich übernehmen.«
»Ich weiß schon, was ich tue.«
»Und wenn du dir eine Anzeige wegen Schikanierung oder Körperverletzung einfängst?«
Anna lachte brüsk. Sie machte eine Geste, damit Paul an der nächsten Straße nach links abbog, denn der Blinker des Porsches hatte zu leuchten begonnen. »Kein dummgeiler neonazistischer Skinhead würde zugeben, dass ihn eine kleine Jüdin von nur einsachtundfünfzig zusammengestaucht hat. Und wenn er es täte, würde sich das Gericht kaputtlachen.«
Paul schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Anna einer Familie von Überlebenden entstammte. Hamburger Juden, die von mitfühlenden Bürgern versteckt worden waren, bis die Briten und die Kanadier Hamburg einnahmen. Sie war mit einer Verteidigungshaltung aufgewachsen, die sich durch eine Kampfsportausbildung und einen dreijährigen Dienst in
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