Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
floh.
»Scheiße!«, brüllte er und hätte Petra Maas und einen MEK -Beamten beinahe umgestoßen, als er wieder aus der Wohnung raste und jeweils drei Stufen auf einmal nach unten nahm.
Auf der Straße mochte Maria ihren Augen kaum trauen. Olsen war nicht nur eine ganze Etage heruntergesprungen, sondern hatte sich sofort aufgerappelt und sprintete nun auf das Wasser zu. Als sie Fabels Stimme aus dem Funkgerät hörte, war sie bereits in Bewegung. Ihre Zeit war gekommen. Nun würde sie herausfinden, ob sie der Arbeit noch gewachsen war. Sie schrie ins Funkgerät, dass sie zum Hafen laufe, und sie wusste, dass Anna und Henk nicht weit hinter ihr waren, aber sie wusste auch, dass sie Olsen als Erste erreichen würde. Und kaum jemand war größer und brutaler als dieser Mann.
Vor ihr drehte Olsen in ein anderes leer stehendes Gebäude ab. Maria rannte hinterher und fand sich in einer breiten, von Säulen gestützten Fabrikhalle wieder. Rostende Ketten, die von Flaschenzügen an der Decke herunterhingen, deuteten darauf hin, dass hier einst Maschinen zusammengebaut worden waren. Olsen war nirgends zu sehen, aber die mächtigen Werkbänke, auf denen früher schweres Gerät geruht haben musste, boten ein Dutzend Möglichkeiten, sich zu verstecken. Maria blieb jäh stehen, zog ihre Sig-Sauer aus dem Halfter und streckte die Arme vor sich aus. Sie spitzte die Ohren und versuchte, trotz ihrer eigenen schweren Atmung und des Hämmerns in ihrer Brust ein Fluchtgeräusch zu hören.
»Olsen!«, rief sie.
Stille.
»Olsen! Geben Sie auf. Jetzt sofort!«
Ein heftiger Schmerz durchfuhr sie, als etwas vor ihrem Gesicht aufblitzte und gegen ihre Handgelenke prallte. Ihre Pistole flog davon, und Maria krümmte sich nach vorn, wobei sie ihr rechtes Gelenk mit der linken Hand umklammerte. Sie drehte sich um und sah Olsen zu ihrer Rechten. Er hatte eine Eisenstange hoch über den Kopf gehoben – wie ein überdimensionaler mittelalterlicher Henker, der eine Axt schwang, um ihr den Hals zu durchtrennen. Maria erstarrte. Für einen Sekundenbruchteil war sie anderswo und wurde von einem anderenbedroht, der keine Eisenstange, sondern ein großes Messer hatte. Ein Gefühl, das jede ihr bekannte Furcht übertraf, durchfuhr sie wie kalter Strom und ließ sie in ihrer gekrümmten Stellung verharren. Olsen stieß einen tiefen, tierischen Schrei aus, während er die Eisenstange schwang, und plötzlich verwandelte sich Marias Furcht. Sie warf sich nach vorn wie eine Schwimmerin, die einen Hechtsprung macht, und rollte über den schmutzigen Fabrikboden. Olsens Wut und die Wucht seines misslungenen Schlages ließen ihn aus dem Gleichgewicht geraten. Maria war wieder auf den Beinen und trat mit ihrem Fuß an Olsens Schläfe. »Du Dreckstück!«, schrie sie.
Olsen stemmte sich hoch. Maria, die noch immer ihr verletztes Handgelenk gepackt hielt, sprang vor und rammte ihre Stiefelsohle an seinen Hals. Olsens Kopf schnappte nach hinten und knallte auf den Betonfußboden. Er stöhnte, und seine Bewegungen wurden langsamer. Maria suchte den Fußboden nach ihrer Pistole ab, fand sie und ergriff die Waffe mit ihrer unverletzten Hand. Sie richtete die Mündung auf Olsens Kopf, während er sich auf den Rücken rollte und die Hände über den Kopf verschränkte.
Maria betrachtete ihr Handgelenk. Es war verletzt, aber nicht gebrochen, und der Schmerz ließ bereits nach. Sie blickte an ihrem Pistolenlauf entlang auf Olsen und zischte: »Was für ein großer Mann. Ein großer, fürchterlicher XYY -Scheißkerl. Es macht dir also Spaß, Frauen zu schlagen, du Arschloch?« Sie trat noch einmal mit dem Stiefel an die Seite von Olsens Gesicht.
Inzwischen rannte Anna Wolff durch die Fabrikhalle auf sie zu. »Alles in Ordnung, Maria?«
»Ja, alles in Ordnung.« Maria wandte die Augen nicht von Olsen ab. Ihre Stimme war gepresst. »Dir macht es Spaß, Frauen Angst einzujagen? Ist das der Grund? Dir macht es Spaß, ihnen wehzutun?« Sie trat kraftvoll mit dem Stiefelabsatz an Olsens Wange. Die Haut platzte auf, und Blut trat aus der Wunde hervor.
»Maria!« Anna stand nun neben ihr und richtete ihre Sig-Sauer ebenfalls auf Olsens blutendes Gesicht. Sie schaute zu ihrer Kollegin hinüber. »Maria… wir haben ihn. Wir haben ihn. Alles klar. Du kannst jetzt aufhören.« Henk Hermann war plötzlich ebenfalls da, und Maria hörte, wie Fabel und die anderen auf sie zu rannten. Hermann kniete sich neben Olsen, rollte ihn auf den Bauch, drehte ihm die Arme auf den
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