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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Hamburg zu überrollen schienen. Sogar Fabels geliebtes Pöseldorf, die Heimat der vermögenden Hamburger Schickeria, war bis in die Sechzigerjahre hinein als Arme-Leute-Gegend verschrien gewesen, bevor man es in einen der modischsten Hamburger Stadtteile verwandelt hatte.
    Aber diese Gegend unten am Hafen hatte einen solchen Status noch nicht erworben. Architektonisch schien sie mit ihren gepflasterten Straßen und gewaltigen Mietshäusern in der Zeit erstarrt zu sein. Die einzigen Anzeichen des einundzwanzigsten Jahrhunderts lieferten die hässlichen Graffiti, welche die Gebäude entstellten, und die stille Masse eines Containerschiffs, das man durch die Lücken zwischen den Häusern langsam vorbeigleiten sehen konnte.
    Alle Beamten waren angespannt. Das Gebäude, in dem Olsen entdeckt worden war, befand sich am Ende der Hafenstraße, die seit Dezember 1995 der Genossenschaft »Alternativen am Elbufer« gehört und von ihr verwaltet wird. Davor war dieser Stadtteil ein politisches und soziales Schlachtfeld gewesen. Buchstäblich.
    Im Herbst 1981 waren die leerstehenden Wohnhäuser in der Hafenstraße und der Bernhard-Nocht-Straße systematisch besetzt worden. Alfons Pawelczyk, der damalige Innensenator, hatte der Polizei befohlen, die Gebäude zu räumen. Anarchie und Chaos waren die Folge gewesen. Ein mehr als zehn Jahre langer Krieg zwischen Hausbesetzern und der Polizei Hamburg hatte sich angeschlossen, und die deutschen Fernsehschirme waren voll von Bildern brennender Barrikaden, brutaler Straßenkämpfe und Hunderter von verletzten Polizeibeamten und Hausbesetzern gewesen. Letzten Endes hatte die Situation den damaligen Ersten Bürgermeister, Klaus von Dohnanyi, das Amt gekostet. Erst als man im Dezember 1995 einen Kompromiss fand, endeten die Unruhen. Trotzdem brodelte es noch in der Gegend um die Hafenstraße, und die Polizei konnte hier nur mit besonderer Vorsicht operieren.
    Deshalb hatte das MEK -Team einen Wohnblock von dem Eckgebäude entfernt Stellung bezogen. Der MEK -Leiter war froh über Fabels Ankunft. In einer Umgebung wie dieser wäre es unmöglich gewesen, die Anwesenheit der Polizei noch viel länger geheim zu halten. Er teilte Fabel mit, man glaube, Olsen halte sich in der Wohnung im ersten Stock auf. Jedenfalls war sein Motorrad draußen geparkt, und einer der MEK -Männer hatte sich herangeschlichen und die Benzinzufuhr für den Fall gekappt, dass Olsen mit dem Fahrzeug zu fliehen versuchte. Das Erdgeschoss war so übel zugerichtet worden, dass auch dort niemand wohnte. Das erleichterte die Sache, denn es gab nur einen Eingang und einen Ausgang.
    Fabel teilte das Team auf. Maria übernahm die Führung über Anna und Henk Hermann. Sie würden die Außenseite des Gebäudes sichern. Fabel, Hans Rödger und Petra Maas würden ins Haus gehen und zwei MEK -Beamte mitnehmen, falls einerder Hausbesetzer ihnen Schwierigkeiten bereitete. Er forderte den MEK -Leiter auf, Maria mit seinen übrigen Männern beim Abschneiden jedes möglichen Fluchtwegs zu unterstützen.
    Sie verteilten sich auf den MEK -Transporter, Fabels BMW und Marias Auto. Dann fuhren sie gleichzeitig vor dem Gebäude vor, die Motorhauben auf die Tür gerichtet. Maria und ihr Team waren in Sekundenschnelle einsatzbereit.
    Fabel und seine Gruppe rannten zur Tür. Die beiden MEK -Männer stießen eine Ramme in den Mittelpunkt der Doppeltür, die zersplitternd aufsprang. Fabel zog seine Pistole und führte das Team hinein. Der Flur stank nach Urin und nach einer anderen Substanz, die Fabel nicht einordnen konnte. Oben waren Geräusche zu hören, und Fabel schob sich rasch und stumm das Treppenhaus hinauf, wobei er sich an die abbröckelnde hellgrüne Farbe schmiegte und den Lauf seiner Pistole auf den höchsten sichtbaren Punkt richtete. Die Tür der Wohnung stand offen, und Fabel wartete, bis die anderen in Deckung gehen konnten, bevor er eintrat.
    Er musterte das Zimmer. Es war groß und überraschend hell. Und leer. Drei breite Fenster blickten auf die Straße hinaus. Fabel brauchte eine Sekunde, um die Gestalt eines auf dem äußeren Sims sitzenden Mannes wahrzunehmen, die gerade hinunterspringen wollte. Fabel rief: »Olsen!«, doch die Gestalt war schon verschwunden.
    »Er ist gesprungen!«, rief Fabel in sein Funkgerät. »Maria, er ist gesprungen!« Kaum hatte er die Meldung durchgegeben, als er begriff, dass er schon einmal in dieser Situation gewesen war: er selbst im Innern und Maria draußen, während ein Verdächtiger

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