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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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nicht getötet. Wirklich nicht. Ich erwarte nicht, dass Sie mir glauben. Deshalb bin ich geflohen. Ich weiß nicht einmal, was Sie mit diesen anderen Morden meinen. Aber es stimmt, ich war da, als Hanna und Schiller ermordet wurden. Ich hab die ganze Sache mit angesehen. Ich hab sie mit angesehen und nichts dagegen getan.«
    »Warum, Herr Olsen? Wollten Sie, dass die beiden sterben?«
    »Nein. Herrje, nein.« Er hielt Fabels Blick stand. »Ich hatte Angst. Todesangst. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich wusste, dass ich der Nächste sein würde, wenn er mich bemerkte.«
    Fabel betrachtete Olsen. Die mächtigen Hände. Die massigen Schultern. Es war schwer vorstellbar, dass irgendetwas oder irgendjemand ihn verängstigen konnte. Aber Fabel bezweifelte nicht, dass Olsen Angst gehabt hatte. Angst um sein Leben. Diese Furcht machte er nun vor den Polizisten erneut durch. »Wer war es, Herr Olsen? Wer hat sie getötet?«
    »Ich weiß nicht. Ein großer Mann. So groß wie ich, vielleicht größer.« Er richtete die Augen wieder auf Anna Wolff. »Sie hatten Recht. Alles, was Sie gesagt haben, stimmt. Ich habe die beiden beobachtet und gewartet, um sie zu Tode zu erschrecken und Schiller ordentlich zu verprügeln. Aber ich wollte niemanden töten. Okay, wenn ich die Beherrschung verloren hätte, wäre ich dazu fähig gewesen, Schiller zu töten. Aber niemals Hanna. Egal, was sie mir angetan hat. Außerdemhatte ich was Besseres vor: Ich wollte Schillers Frau informieren. Sie hätte ihn zur Schnecke gemacht, und Hanna hätte erfahren, wie ernst er sein Versprechen, seine Frau für sie zu verlassen, wirklich meinte. Hanna sollte sich benutzt fühlen. Sie sollte sich genauso fühlen wie ich.«
    »In Ordnung, Herr Olsen. Was ist geschehen?«
    »Ich habe mich im Wald versteckt und auf sie gewartet. Hanna ist als Erste aufgetaucht, und dann er. Aber bevor ich etwas unternehmen konnte, ist etwas aus dem Wald gekommen. Anfangs hab ich nicht geglaubt, dass es ein Mann war. Ein Riesenkerl. Ganz in Schwarz gekleidet und mit einer Art Maske. Eine Maske wie bei einer Kinderparty. Irgendein Tier… ein Bär oder ein Fuchs. Vielleicht auch ein Wolf. Sie sah ganz klein an ihm aus. Zu klein. Und völlig überdehnt, sodass sie noch gespenstischer wirkte. Sogar die Art, wie er sich bewegte, war erschreckend. Er schien sich aus dem Schatten gebildet zu haben.
    Dann ist er einfach zum Auto gegangen – inzwischen waren die beiden in Schillers Mercedes – und hat ans Fenster geklopft. Schiller hat es geöffnet. Ich konnte nicht viel hören, aber es klang so, als wäre Schiller wütend geworden. Er fing an zu schreien. Anscheinend war er sauer darüber, unterbrochen zu werden. Plötzlich hat er den großen Kerl gesehen, mit der Maske und allem. Ich konnte nicht verstehen, was Schiller sagte, aber er klang verängstigt. Der große Mann in Schwarz stand einfach da und hörte ihm zu. Er sagte nichts. Dann ging es los. Ich traute meinen Augen nicht. Der Arm des großen Mannes schoss hoch, und das Mondlicht blitzte auf einen Gegenstand. Sah aus wie eine breite Klinge. Er hat sie durch das geöffnete Autofenster gestoßen. Ich hörte Hanna schreien, aber ich konnte nichts tun. Ich hatte Angst. Die Hosen voll. Ich kann fast jeden aufs Kreuz legen, aber ich wusste, dass dieser große Kerl mich erledigt hätte.«
    Olsen hielt inne, und wieder stiegen ihm Tränen in dieAugen. »Er war so ruhig. Langsam sogar. Wie heißt es noch? Methodisch. Er war methodisch. Als hätte er alle Zeit der Welt. Er ist einfach um das Auto herumgegangen, völlig gelassen, hat die Tür geöffnet und Hanna rausgezerrt. Sie schrie. Arme Hanna. Ich hab nichts getan, war wie angewurzelt. Wissen Sie, Herr Fabel, ich hatte Angst um mein Leben. Ich wollte nicht sterben.«
    Fabel nickte, als verstünde er ihn wirklich. Olsen fürchtete keinen Menschen, aber an der Gestalt, die er beschrieb, war etwas, das man nicht als menschlich bezeichnen konnte.
    »Er hat sie an der Kehle gepackt.« Olsens Unterlippe zitterte. »Mit einer Hand. Sie hat geweint und ihn immer wieder gebeten, ihr nichts zu tun. Sie nicht umzubringen. Er hat sie nur ausgelacht. Es war ein schreckliches Lachen. Kalt und leer. Dann hat er gesagt: ›Jetzt werde ich dich töten‹, einfach nur: ›Jetzt werde ich dich töten‹. – Ganz ruhig. Nicht, als wäre er wütend oder als würde er sie hassen. Er hat sie auf die Kühlerhaube gedrückt – fast sanft. Dann hat er die Klinge über ihre Kehle gezogen. Ganz langsam.

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