Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
zunächst noch einige Untersuchungen durchführen, bevor wir definitiv sagen können, ob es sich hier tatsächlich um die Fußabdrücke des Mörders handelt. Aber Sie haben wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Kaum jemand hätte daran gedacht, den Parkplatz zu sichern.«
    »War der Parkplatz leer, als die Leichen gefunden wurden?«, wollte Fabel wissen.
    »Ja«, antwortete Hermann. »Das Fahrzeug, in dem der Mord stattfand oder das zum Transport der Leichen benutzt wurde, muss also schon vorher verschwunden sein. Vielleicht wurde es sogar irgendwo in Brand gesteckt, um jegliches Beweismaterial zu vernichten.« Er deutete auf einen Wanderweg, der in die entgegengesetzte Richtung wies. »Dieser Weg führt zu einem anderen Parkbereich in etwa drei Kilometer Entfernung. Ich habe für alle Fälle einen Wagen dorthin geschickt, um ihn überprüfen zu lassen, aber es war nichts zu finden.«
    Fabel bemerkte, dass Maria während des gesamten Gesprächs geschwiegen hatte. Sie war an die Leichen herangetreten, und ihr Blick schien von dem weiblichen Opfer magisch angezogen zu werden. Fabel hob die Hand und sagte: »Entschuldigung«, bevor er sich neben Maria stellte. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Maria riss den Kopf herum und betrachtete ihn ein paar Sekunden lang ausdruckslos, als wäre sie innerlich weit weg. Ihre Haut straffte sich weiß über ihren eckigen Zügen. »Was? Oh… ja.« Dann entschlossener: »Ja, mir geht’s gut. Die Sache hat keinen posttraumatischen Stress bei mir ausgelöst, wenn du das meinst.«
    »Nein, Maria, das meine ich nicht. Was ist dir aufgefallen?«
    »Ich hatte mir gerade überlegt, was er mit alledem sagen will. Dann sah ich ihre Hände.«
    »Ja, sie scheinen sich an den Händen zu halten. Das wollte der Mörder mit dieser Pose offenbar bewirken.«
    »Nein, das nicht«, sagte Maria. »Die anderen Hände. Seine rechte und ihre linke. Sie sind zu Fäusten geballt. Es sieht so aus, als wäre es ein Teil der Pose.«
    Fabel drehte sich jäh um. »Holger, komm mal her und guck dir das an.«
    Brauner und Hermann eilten herbei, und Fabel erläuterte ihnen Marias Beobachtung.
    »Ich glaube, du hast Recht, Maria«, sagte Brauner. »Es sieht so aus, als wären die Fäuste nach dem Tod, aber vor der Leichenstarre geschlossen worden.« Plötzlich zuckte er zusammen und wandte sich jäh zu Fabel um. »Mein Gott, Jan… das Mädchen am Strand…«
    Brauner griff in seine Jackentasche und holte ein ungeöffnetes Päckchen mit chirurgischen Handschuhen hervor. Mit einer hastigen Bewegung streifte er sich einen der Latexhandschuhe über, zog eine Pinzette aus seiner Brusttasche, trat vor und drehte die Hand des Mädchens um. Dann rief er Hermann zu sich und hielt ihm ein Paar Latexhandschuhe hin.
    »Ziehen Sie die an, bevor Sie den Körper berühren. Ich möchte, dass Sie ihre umgedrehte Hand festhalten.«
    Hermann tat wie ihm geheißen. Brauner öffnete die Finger der Frau, drehte sich zu Fabel um und nickte bitter, bevor er mit einer Pinzette ein kleines, eng zusammengerolltes Stück Papier aus der Handfläche nahm. Er schob den Zettel in eine durchsichtige Spurensicherungstüte und entrollte ihn darin vorsichtig. Dann stand er auf und trat in seinen eigenen Fußspuren von den Leichen zurück. Hermann folgte ihm.
    »Was steht darauf?«
    Brauner reichte Fabel die Tüte. Beim Anblick des Zettels verspürte Fabel ein bis tief in die Knochen reichendes Frösteln. Es war wieder ein rechteckiges Stück desselben gelben Papiers, etwa zehn Zentimeter breit und fünf Zentimeter hoch. Er erkannte die kleinen, regelmäßigen, mit roter Tinte geschriebenen Buchstaben von dem Zettel wieder, den das tote Mädchen am Blankeneser Strand in der Hand gehalten hatte. Diesmal stand nur ein einziges Wort darauf: »Gretel.« Fabel zeigte Maria das Stück Papier.
    »Scheiße… Es ist derselbe Kerl.« Brauner öffnete bereits die geballte Faust des männlichen Opfers.
    »Das hier ist anscheinend ›Hänsel‹«, sagte Brauner, erhob sich und ließ einen weiteren gelben Zettel in eine Spurensicherungstüte gleiten.
    Fabels Brust schnürte sich zusammen. Er blickte hinauf zum hellblauen Himmel, dann wieder hinunter auf den Pfad, der zurück zum Parkplatz führte, in die grüne Gruft des Waldes und erneut auf den Mann und die Frau, die mit bis zum Rückgrat durchgetrennter Kehle dasaßen, deren Hände sich berührten und zwischen denen ein großes, mit Brotkrumen übersätes Taschentuch im Gras ausgebreitet war. Hänsel und Gretel.

Weitere Kostenlose Bücher