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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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die Bäume und den Himmel. Sie sah ihn verständnislos an. »Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen…«, übersetzte er ins Deutsche. Maria zuckte die Achseln. »Wo sind sie?«, fragte Fabel.
    »Dort drüben…« Maria wies auf eine kleine Lücke zwischen den Bäumen. »Es ist ein Wanderweg. Er führt durch den Wald, und ungefähr dreihundert Meter von hier gibt es eine kleine Lichtung mit einem Picknicktisch. Aber mit dem Auto kommt man nur bis zu dieser Stelle.« Fabel bemerkte, dass man die Hälfte des Parkbereiches vor dem Wanderweg abgesperrt hatte.
    »Wollen wir?« Fabel bedeutete Maria voranzugehen. Auf dem unebenen, hier und da etwas feuchten Pfad hatte das Spurensicherungsteam in unregelmäßigen Abständen Schutzplanen niedergelegt. Fabel warf Maria einen fragenden Blick zu.
    »Reifenspuren«, erklärte sie. »Und ein paar Fußabdrücke, die überprüft werden müssen.«
    Fabel blieb stehen und musterte den Pfad. »Mountainbiker?«
    Maria schüttelte den Kopf. »Motorrad. Möglicherweise hat es nichts mit der Sache zu tun, genauso wenig wie die Fußabdrücke.«
    Sie gingen weiter. Fabel musterte die Bäume zu beiden Seiten. Die Zwischenräume zwischen ihnen wurden dunkler, während sie zurückwichen – wie grüne Höhlen, in die der helle Tag nicht eindringen konnte. Er dachte an das Rundfunkinterview. Die Dunkelheit des Waldes am helllichten Tage: die Metapher für die Gefahr, die sich im Alltäglichen verbirgt. Der Pfad machte einen Bogen und endete plötzlich auf einer kleinen Lichtung. Ungefähr ein Dutzend Polizisten und Spurensicherer waren auf dem Gelände beschäftigt. Sie konzentrierten sich zur Rechten des Pfades auf einen hölzernen Picknicktisch mit davor aufgestellten Bänken. Ein Mann und eine Frau saßen, an die Tischbeine gelehnt, auf dem Boden. Beide starrten Fabel und Maria mit dem gleichgültigen Blick des Todes an. Sie saßen Seite an Seite und hatten jeweils einen Arm in Richtung des anderen ausgestreckt. Ihre schlaffen Hände berührten sich, waren jedoch nicht ineinander verschränkt. Zwischen ihnen lag ein säuberlich ausgebreitetes Taschentuch.
    Die Todesursache war unverkennbar: Jemand hatte beiden mit einem tiefen, breiten Schnitt die Kehle aufgeschlitzt. Der Mann war Ende dreißig, mit kurz geschorenem Haar, das sich bereits zu lichten begann. Sein Mund war aufgerissen, schwarz-rot von dem Blut, das in den letzten Sekunden seines Lebens aus der gespaltenen Kehle hochgeschäumt war. Fabel trat näher heran und musterte die Kleidung des Mannes. Für ihn war es eines der erschütternsten Dinge an einer Mordszene: wie der Tod seine eigene Planung hat, wie er sich weigert, die trivialen Einzelheiten, die wir in unser Leben einbauen, anzuerkennen. Der hellgraue Anzug und die braunen Lederschuhe des Mannes waren offensichtlich teuer. Sie hatten ihm zu Lebzeiten als Zeichen für seinen Status, seinen Geschmack, seinen Platz auf der Welt gedient. Nun aber war der Anzug ein zerknitterter, mit Schlamm und Blut verschmierter Lumpen. Das Hemd schob sich blutgetränkt unter dem dunklen Spalt hoch, die sich über die Kehle zog. Einer der Schuhe lag einenhalben Meter von dem Fuß entfernt, der auf ihn wies, als fordere er ihn zurück. Die graue Seidensocke war halb hinunter geschoben, sodass man das gesprenkelte, bleiche Fleisch an der Ferse des Mannes sehen konnte.
    Fabel richtete seine Aufmerksamkeit auf die Frau. Im Vergleich zu dem Mann hatte sie erheblich weniger Blut auf ihrer Kleidung. Ein Blutstreifen war diagonal über die Schenkel ihrer Jeans gespritzt. Sie mochte Anfang zwanzig sein und hatte langes blondes Haar. Der Wind hatte ein paar Strähnen in die aufgeschnittene Kehle geweht, wo sie sich mit Blut vollgesogen hatten und festgeklebt waren. Fabel fiel auf, dass ihre Kleidung zwar geschmackvoll und modisch, aber erheblich billiger war als die des Mannes. Sie trug ein hellgrünes T-Shirt und eine neue Jeans, die eine billigere Alternative zu den Designerjeans darstellte, deren Stil sie nachempfunden war. Die beiden konnten kein Paar sein – jedenfalls kein seit langem liiertes Paar. Fabel beugte sich vor und schaute sich das Taschentuch an. Auf ihm lagen mehrere Brotkrümel. Er stand auf.
    »Ist das verwendete Messer gefunden worden?«, fragte er Maria.
    »Nein. Auch auf den Boden, den Tisch oder sonst wo in der Umgebung ist kein Blut gespritzt. – Hallo, Jan.«
    Holger Brauner, der Chef des Spurensicherungsteams, trat zu ihnen.
    Fabel lächelte. Als er den Blutstreifen auf

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