Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
Art gemustert, als versuchte sie herauszufinden, wer und was Laura genau war und wie sie in ihr Leben passte. Laura bezweifelte nie, dass sie auf eine Weise, die nur für ihre Mutter offensichtlich war, ein böses Mädchen gewesen sein musste. Ein unartiges Kind.
Margarethe hatte die Mängel der kleinen Laura klar identifiziert und sie mit den eisigen Scheinwerfern ihrer Missbilligung ausgeleuchtet. Doch ihre Mutter hatte auch ihre außergewöhnliche Schönheit erkannt und sie sogar als einzigen Vorzug ihrer Tochter bezeichnet. Am Anfang, bevor Heinz angestellt worden war, hatte sie sogar Lauras Karriere gemanagt. Sie hatte unermüdlich und geradezu obsessiv daran gearbeitet, Lauras Karriere zu fördern und sie zu einem prominenten Teil der Gesellschaftskreise zu machen, denen die Klosterstadts angehörten. Aber Laura hatte keine Kindheitserinnerungen daran, dass ihre Mutter je mit ihr gespielt,sich um sie gekümmert oder sie mit echter Wärme angelächelt hätte.
Dann war das Problem aufgetaucht.
Fast genau zehn Jahre zuvor, als Lauras Schönheit gerade erblühte und die Zahl der Modelverträge zunahm, hatte jemand es geschafft, durch den Stacheldrahtzaun zu schlüpfen, den Margarethe von Klosterstadt um ihre Tochter – und auch Laura um sich selbst – errichtet hatte.
Lauras Mutter beaufsichtigte und organisierte alles. Obwohl Laura gerade erst selbst herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, wusste Margarethe aus unerklärlichen Gründen, die Laura nicht mit mütterlichem Instinkt in Verbindung bringen konnte, bereits von ihrer Schwangerschaft. Laura sah ihren Liebhaber nie wieder, erwähnte ihn nie mehr und dachte auch nicht mehr an ihn. Ihre Mutter hatte dafür gesorgt, dass er fernblieb, denn die Familie von Klosterstadt hatte die Macht, anderen ihren Willen aufzuzwingen, und das Vermögen, diejenigen zu kaufen, die sich nicht fügen wollten. Eine Woche vor Lauras einundzwanzigstem Geburtstag wurde ein kurzer Urlaub arrangiert – in einer Privatklinik in London. Danach setzten sich Lauras Gesellschafts- und Modelkarriere fort, als wäre nichts passiert.
Seltsamerweise dachte sie immer, es wäre ein Junge gewesen. Sie wusste nicht, warum, aber so stellte sie sich ihr Kind vor.
Sie hörte ein Auto in der Auffahrt. Heinz. Sie seufzte, stand auf und ging hinaus zur Eingangshalle.
13.
Naturpark Harburger Berge, Sonntag, den 21. März, Mittag
Sie machten die Entdeckungen fast gleichzeitig. Kommissar Hermann meldete über Funk, dass zwei Autos – ein schickes Mercedes-Coupé und ein älterer VW Golf – in einem Waldgebiet am Südrand des Naturparks gefunden worden waren.
Der Mann ging kühl-berechnend vor. Methodisch. Nachdem er das erste Auto an diese Stelle gefahren hatte, musste er rund zwanzig Minuten zum zweiten Wagen zurückgehen. Fabel benötigte Details, aber er wollte nicht über Sprechfunk darüber diskutieren. Deshalb rief er Hermann auf dessen Handy zurück.
»Ich werde Herrn Brauner und sein Team rüberschicken, sobald sie hier fertig sind. Achten Sie darauf, dass der Ort abgeschirmt bleibt.«
»Selbstverständlich«, sagte Hermann, und Fabel merkte, dass er ein wenig gekränkt war.
»Entschuldigen Sie«, sagte Fabel. »Sie haben durch Ihre Arbeit hier bereits gezeigt, dass Sie wissen, wie man ein Gelände sichert. Ist Ihnen dort etwas aufgefallen?«
»Der Mercedes war der Tatort, wie ich vermutet hatte. Um es freundlich zu umschreiben: Die Polster werden nie wieder so aussehen wie früher. Auf dem Rücksitz liegt eine Aktentasche, aber wir haben sie natürlich nicht angerührt. Dafür haben wir die Nummer überprüft: Der Wagen ist auf eine Firma zugelassen, und zwar auf die Backstube Albertus in Bostelbek. Ich habe meine Mitarbeiter losgeschickt, um herauszufinden, wer den Wagen fährt. Vorerst sagen wir nur, dass er verlassen aufgefunden worden sei. Der Golf gehört einer gewissen Hanna Grünn und ist in Buxtehude registriert.«
»Gut. Ich komme mit Herrn Brauner zu Ihnen, sobald wir die Arbeit hier abgeschlossen haben.«
»Komisch«, schob Hermann nach, »es ist fast so, als hätte er die Autos nur halbherzig versteckt. Schließlich hätte er sie auch verbrennen können.«
»Nein«, widersprach Fabel. »Der Mörder hat nur beabsichtigt, sich etwas mehr Zeit verschaffen, um eine zusätzliche Entfernung zwischen sich und uns zu bringen. Er wollte, dass wir feststellen, wo er sie getötet hat, aber erst, wenn es in seine Pläne passt.«
Die andere Entdeckung machte Holger
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