Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
Rasenflächen abgelöst wurden. Fabel hatte das Gefühl, wieder eine Lichtung im Wald erreicht zu haben. Das Haus war eine stattliche, im neunzehnten Jahrhundert gebaute Villa mit einer cremefarbenen Fassade und großen Fenstern.
»Mit Brötchen ist offensichtlich Geld zu verdienen«, murmelte Werner, als Fabel auf der makellosen Kiesauffahrt einparkte.
Vera Schiller öffnete selbst die Tür und führte die Männer durch eine mit Marmorfußboden und Säulen versehene Halle in einen geräumigen Salon. Sie bot den Polizisten an, auf einem antiquarischen Sofa Platz zu nehmen. Fabel bevorzugte zeitgenössische Möbel, aber er sah, dass es sich um ein wertvolles Stück handelte. Und es war nicht das einzige in Vera Schillers Salon. Sie setzte sich ihnen gegenüber auf einen Sessel, schlug die Beine übereinander und ließ die Hände – mit den Handflächen nach unten – auf ihrem Schoß ruhen. Sie war eine attraktive dunkelhaarige Frau von Ende dreißig, und alles an ihr – ihr Gesicht, ihre Haltung, ihr höfliches, schwaches Lächeln bei der Begrüßung – brachte eine krampfhafte Gelassenheit zum Ausdruck.
»Zuallererst möchte ich sagen, Frau Schiller, dass ich weiß, wie bedrückend dies alles für Sie sein muss«, begann Fabel. »Natürlich müssen Sie die Leiche erst einmal identifizieren, aber es gibt kaum einen Zweifel daran, dass es sich um Ihren Mann handelt. Ich darf Ihnen versichern, dass wir Ihren Verlust zutiefst bedauern.« Er rückte unbeholfen hin und her, denn das Sofa, das an die zweihundert Jahre alt sein musste, war ausgesprochen unbequem.
»Tatsächlich?« Vera Schillers Stimme enthielt keine Feindseligkeit. »Sie kannten Markus nicht. Und Sie kennen mich nicht.«
»Trotzdem tut es mir sehr Leid, Frau Schiller«, entgegnete Fabel. »Wirklich.«
Vera Schiller nickte brüsk. Fabel wusste nicht, ob sie hastig einen Damm um sich errichtet hatte, um ihren Kummer zurückzuhalten, oder ob sie schlicht gefühlskalt war. Er zog eine durchsichtige Spurensicherungstüte aus der Tasche. Durch den Kunststoff war Markus Schillers Foto auf seinem Personalausweis zu erkennen. Er reichte ihr den Beutel.
»Ist das Ihr Mann, Frau Schiller?«
Sie warf einen raschen Blick auf den Beutel und starrte Fabel dann an. »Ja, das ist Markus.«
»Haben Sie eine Ahnung, weshalb Herr Schiller so spät am Abend im Naturpark gewesen sein könnte?«, fragte Werner.
Sie lachte bitter. »Das liegt doch wohl auf der Hand. Wie ich hörte, haben Sie auch eine Frau gefunden?«
»Ja«, meinte Werner. »Eine Frau namens Hanna Grünn, soweit wir dies bisher ermitteln können. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Zum ersten Mal zeigten Vera Schillers Augen so etwas wie Schmerz. Dann gewann sie ihre Selbstbeherrschung zurück, und sowohl ihr falsches Lachen als auch ihre Antwort waren von Sarkasmus getränkt.
»Treue war für meinen Mann ein so abstrakter und schwer verständlicher Begriff wie Kernphysik. Sie befand sich einfach jenseits seines Verständnishorizontes. Es gab zahllose andere Frauen, und ich kenne auch diesen Namen. Wissen Sie, Herr Hauptkommissar, was ich so geschmacklos an alledem finde, ist nicht die Tatsache, dass Markus eine Affäre mit einer anderen Frau hatte… daran bin ich nun wirklich gewöhnt…, sondern dass er nicht die Höflichkeit oder die Fantasie oder den Geschmack besaß, sich wenigstens außerhalb der Belegschaft umzusehen.«
Fabel tauschte einen raschen Blick mit Werner aus. »Dieses Mädchen hat für Sie gearbeitet?«
»Ja. Hanna Grünn arbeitet seit ungefähr sechs Monaten für uns. Am Fließband, unter Herrn Biedermeyer. Er kann Ihnen mehr über sie mitteilen als ich. Aber ich weiß noch, wie sie bei uns anfing. Sehr hübsch, auf eine provinzielle Art. Ich wusste sofort, dass sie Markus’ Kragenweite war. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er eine der Arbeiterinnen ficken würde.«
Fabel erwiderte ihren Blick. Die Obszönität ließ sich nicht mit Vera Schillers demonstrativer Würde und Gelassenheitvereinbaren. Genau deshalb hatte sie das Wort natürlich benutzt.
»Sie verstehen bestimmt, dass ich Sie fragen muss, wo Sie gestern Abend waren, Frau Schiller?«
Wiederum ein bitteres Lachen. »Die wütende betrogene Ehefrau, die Rache nimmt? Nein, Herr Fabel, es gab für mich keinen Anlass, Gewalt anzuwenden. Ich wusste nichts von Markus und Fräulein Grünn, und es wäre mir ohnehin gleichgültig gewesen. Markus war klar, dass er gewisse Grenzen nicht überschreiten durfte. Mir gehört
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