Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
nämlich die Backstube Albertus. Es war das Geschäft meines Vaters. Markus ist…« Sie stockte, runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf, als wäre sie verärgert über ihre Unfähigkeit, sich der neuen Realität anzupassen. »…Markus war nur ein Angestellter. Auch dieses Haus gehört mir. Ich hatte keine Veranlassung, Markus zu ermorden, weil ich ihn mit einem einzigen Schlag um sein Einkommen und um sein Heim hätte bringen können. Für jemanden mit Markus’ kostspieligen Ansprüchen war das die größte Bedrohung.«
»Und wo waren Sie gestern Abend?«, hakte Werner nach.
»Ich war auf einer Veranstaltung in Hamburg, einem Ereignis der Catering-Branche, bis etwa ein Uhr morgens. Ich kann Ihnen das detailliert belegen.«
Fabel ließ den Blick noch einmal durch das Zimmer schweifen. Hier war echtes Geld vorhanden. Eine Menge davon. Wenn man genug Geld und die richtigen Beziehungen hatte, konnte man in Hamburg alles kaufen. Auch einen Mörder. Er erhob sich aus der teuren Unbequemlichkeit des Sofas.
»Vielen Dank, dass Sie uns Ihre Zeit geschenkt haben, Frau Schiller. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern Ihren Betrieb aufsuchen und mit einigen Ihrer Angestellten sprechen. Wahrscheinlich werden Sie die Backstube für ein paar Tage schließen, aber…«
Vera Schiller unterbrach ihn: »Wir werden morgen wie üblich öffnen. Ich werde in meinem Büro sein.«
»Sie wollen morgen arbeiten?« Werner konnte sein Erstaunen nicht verbergen.
Frau Schiller stand auf. »Sie können mich dort über die Formalitäten der Identifizierung in Kenntnis setzen.«
Als Fabel und Werner von der Auffahrt auf die Hauptstraße abbogen, schienen sich die Bäume hinter ihnen zu schließen. Fabel versuchte, sich vorzustellen, wie Frau Schiller nun in einem ihrer reich ausgestatteten Zimmer saß und wie die Dämme brachen, sodass die Flut ihres Kummers und ihrer Tränen freie Bahn hatte. Aber es wollte ihm nicht gelingen.
15.
Hamburg-Pöseldorf, Sonntag, den 21. März, 21 Uhr
Als Fabel seine Wohnungstür öffnete, hörte er die Klänge einer Klassik- CD , und aus der Küchennische drangen Geräusche. Seltsam gemischte Gefühle stiegen in ihm hoch. Einerseits beruhigte und ermutigte es ihn, dass er nicht in eine leere Wohnung zurückkehrte – dass jemand auf ihn wartete. Aber andererseits hatte er unwillkürlich das Gefühl, dass seine Privatsphäre verletzt wurde. Er war froh darüber, dass Susanne und er noch nicht beschlossen hatten zusammenzuziehen. Oder wenigstens glaubte er, froh darüber zu sein. Vielleicht würde der richtige Zeitpunkt bald kommen, aber noch war es nicht so weit. Er vermutete, dass sie genauso dachte. Gleichzeitig jedoch quälte es Fabel, dass die Entscheidung hinausgezögert wurde. Beruflich musste er entschlossen auftreten, doch in seinem Privatleben schien er keine Entscheidungen treffen zu können – jedenfalls keine guten, weshalb er stets zögerte. Dabei wusste er genau, dass seine Unentschlossenheit zumindest teilweise zum Scheitern seiner Ehe mit Renate beigetragen hatte.
Er zog seine Jaeger-Sportjacke aus, löste sein Halfter mit der Pistole und legte beide auf das Ledersofa. Dann ging er zur Küchennische. Susanne briet gerade ein Omelette und hatte bereits einen Salat zubereitet. Ein gekühlter Pinot Grigio ließ zwei Weingläser beschlagen.
»Ich dachte, du würdest hungrig sein«, sagte sie, als er hinter sie trat und die Arme um ihre Taille legte. Sie hatte ihr langes dunkles Haar hochgesteckt, und er küsste ihren entblößten Hals. Ihr sinnlicher Geruch füllte seine Nüstern. Es war der Geruch des Lebens. Der Energie. Nach einem Tag mit den Toten glich schon dieser Geruch einem guten Wein.
»Ich habe Hunger«, bestätigte er. »Aber zuerst möchte ich duschen.«
»Gabi hat angerufen«, rief Susanne, als er vorsichtig unter die Dusche trat. »Nichts Wichtiges. Nur um zu plaudern. Sie hat mit deiner Mutter gesprochen: Es geht ihr gut.«
»Morgen rufe ich beide an.« Fabel lächelte. Er hatte befürchtet, dass seine Tochter Gabi Susannes Auftauchen übelnehmen würde, aber die beiden hatten sich sofort gut verstanden. Susanne war von Gabis Intelligenz und Witz angetan gewesen, und Gabi hatte sich von Susannes Schönheit, Stil und »supercoolem Job« beeindruckt gezeigt.
Nach der Mahlzeit unterhielten sich Fabel und Susanne über alle möglichen Themen, nur nicht über ihre Arbeit. Der einzige Hinweis, den Fabel auf die Ereignisse des Tages machte, bestand darin, dass
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