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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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genauer gesagt, Aberglaube, der sich als Quantenphysik ausgibt.«
    »Otto…« Fabel lächelte ungeduldig.
    »Okay. Stell es dir folgendermaßen vor: Manche Physiker glauben, es gebe eine unendliche Zahl von Dimensionen im Universum, stimmt’s? Folglich gibt es auch eine unendliche Zahl von Möglichkeiten – und unendliche Varianten der Realität, oder?«
    »Ja… vielleicht…«
    »Schön«, fuhr Otto fort, »diese wissenschaftliche Thesedient vielen Schriftstellern als künstlerische Überzeugung. Sie können sehr abergläubisch sein. Zum Beispiel weiß ich ganz genau, dass mehrere berühmte Autoren ihre Figuren nicht von Menschen ableiten, die sie kennen. Einfach deshalb, weil sie fürchten, ihre Fantasien über die Figuren könnten sich in der Realität widerspiegeln. Im Buch wird ein Kind getötet, und in Wirklichkeit stirbt ebenfalls ein Kind – nach demselben Muster. Oder, noch unheimlicher, man schreibt einen Roman über entsetzliche Verbrechen, und irgendwo, in einer anderen Dimension, wird die Erfindung zur Tatsache.«
    »Das ist Unsinn. In einer anderen Dimension könnten du und ich also einfach erfundene Gestalten sein?«
    Otto hob die Schultern. »Ich erläutere nur Weiss’ Behauptung. Dem metaphysischen faulen Zauber fügt er seine Theorie hinzu, dass unsere Geschichte eher durch literarische oder – zunehmend – filmische Porträts von Charakteren vorgeprägt als durch historische Dokumente oder durch die archäologische Forschung nachgezeichnet wird.«
    »Trotz all seiner Dementis will Weiss also darauf hinaus, dass Jacob Grimm, weil ein solcher Roman über ihn geschrieben wurde, letztlich diese Verbrechen in einer anderen erfundenen Dimension begangen hat. Oder dass Grimm von künftigen Generationen für schuldig gehalten werden könnte, weil sie Weiss’ Roman mehr Glauben schenken als den dokumentierten Fakten.«
    »Ganz genau. Wie auch immer, Jan…« Otto pochte auf das Buch, das Fabel in der Hand hielt. »Dann lies mal schön. Möchtest du noch etwas anderes?«
    »Allerdings… Hast du irgendwelche Märchenbücher?«

17.
    Polizeipräsidium Hamburg, Montag, den 22. März, 15 Uhr
    Das Konferenzzimmer der Mordkommission hätte dem Lesesaal einer Bibliothek geglichen, wären nicht die Tatortfotos gewesen, die man neben die Vergrößerungen der in den Händen aller drei Opfer gefundenen Mitteilungen an die Schautafel geheftet hatte. Der Kirschholztisch war mit Büchern jeglicher Größe bedeckt. Einige hatten den Glanz von Neuerscheinungen, während andere abgegriffen und manche sogar antiquarisch wirkten. Fabels Beitrag waren die Werke gewesen, die er aus der Buchhandlung Jensen mitgebracht hatte: drei Exemplare von Gerhard Weiss’ Thriller, eines der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen und jeweils ein Band von Hans-Christian Andersen und Charles Perrault. Die übrigen Bücher hatte Anna Wolff aus der Hamburger Zentralbibliothek besorgt.
    Anna Wolff, Maria Klee und Werner Meyer waren bereits vor Fabel erschienen. Kommissar Klatt von der Schleswig-Holsteiner Kripo saß ebenfalls unter ihnen, doch obwohl das Team lebhaft mit ihm plauderte, deutete die allgemeine Körpersprache auf eine gewisse Distanz gegenüber dem Neuen hin. Fabel hatte gerade am Kopf des Tisches Platz genommen, als Susanne Eckhardt eintraf. Sie entschuldigte sich mit einer Förmlichkeit bei ihm für ihre Verspätung, deren sich die beiden automatisch bedienten, wenn sich ihre beruflichen Pfade kreuzten.
    »Also dann«, sagte Fabel in einem entschiedenen Tonfall, »fangen wir an. Wir haben zwei Mordszenen und drei Opfer. Und da das erste Opfer einen direkten Hinweis auf Kommissar Klatts drei Jahre alten Vermisstenfall in der Hand hielt, müssen wir leider annehmen, dass es noch ein viertes Opfer gibt.« Er wandte sich an Werner. »Was liegt bis jetzt vor?«
    Werner ging die Details durch. Das erste Opfer war voneiner Frau aus Blankenese entdeckt worden, die mit ihrem Hund einen Morgenspaziergang am Strand gemacht hatte. Im zweiten Fall war die Polizei durch einen anonymen Anruf bei der Einsatzzentrale alarmiert worden. Der Anruf war aus einer Telefonzelle in einer Tankstelle an der B 73 gekommen. Fabel dachte an die Motorradspuren auf dem Weg, der aus dem Naturpark hinausführte. Aber warum sollte der Mann erst die Autos verstecken, um Zeit zu gewinnen, und dann der Polizei mitteilen, wo die Leichen zu finden waren? Werner berichtete auch über Brauners Feststellungen zu den Stiefelabdrücken. Diejenigen, die Hermann auf dem

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