Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
Geburtstagsparty, die sie als Kind feierte, diente den gesellschaftlichen Verpflichtungen ihrer Mutter. Als sie dann erwachsen war, erfüllten die Partys nur den Zweck, sie möglichen Kunden vorzustellen. Ich habe mich scheußlich dabei gefühlt, aber es war meine Aufgabe als Agent, sie möglichst bekannt zu machen.« Sein Blick traf sich mit dem von Fabel. Seine Augen waren ernst, als wolle er unbedingt, dass Fabel ihm glaubte. »Ich tat, was ich konnte, um die Partys zu mehr als dem üblichen Promi-Tamtam zu machen. Deshalb kaufte ich ihr immer kleine Überraschungsgeschenke zum Geburtstag oder besorgte ihr einen besonderen Kuchen – solche Dinge. Ich habe wirklich versucht, ihr auf den Partys Spaß zu verschaffen.«
»Ja, Herr Schnauber, ich verstehe.« Fabel lächelte. Er gestattete Schnauber, seine Gedanken zu sammeln, bevor er die nächste Frage stellte. »Sie sagten, die Klosterstadts hätten eine Menge Leichen im Keller. Was für Leichen? Ging in Lauras Familie etwas vor?«
Schnauber trat hinüber zum Getränkeschrank und schenkte sich recht unbeholfen, wie es Fabel schien, einen Single Malt ein. Er neigte die Flasche in Fabels Richtung und setzte eine fragende Miene auf.
»Nein, danke… Nicht im Dienst.«
Schnauber setzte sich wieder hin und kippte einen erheblichen Teil des allzu großen Scotch hinunter. »Haben Sie mit den Eltern gesprochen? Und mit Hubert?«
»Ja.«
»Der Vater ist ein Mistkerl. Sein Gehirn ist so dürftig, wie seine Brieftasche dick ist. Und er ist hemmungslos. Seit fünfzehn Jahren vögelt er eine Sekretärin nach der anderen. Andererseits ist das nicht schwer zu verstehen, wenn man sich seine Frau Margarethe anguckt.«
Fabel wirkte verwirrt. »Ich halte sie für eine sehr attraktive Frau. Offensichtlich eine frühere Schönheit, ähnlich wie später Laura.«
Schnauber lächelte bedeutungsvoll. »Manchmal… nein, meistens… bin ich verdammt dankbar dafür, schwul zu sein. Das macht mich auch immun gegen Margarethes Zauberkraft. Aber ich merke, dass Sie schon verhext sind, Herr Fabel. Glauben Sie für keine Minute, dass Margarethe gut im Bett ist, nur weil sie über solch eine sexuelle Ausstrahlung verfügt. Man kann nicht ficken, wenn man keine Eier mehr hat, und Margarethe ist ihr ganzes Leben lang damit beschäftigt gewesen, Männer zu kastrieren. Deshalb steckt Lauras Vater den Schwanz rein, wo immer er kann. Um zu beweisen, dass er ihn noch hat.« Er leerte sein Glas. »Aber das ist nicht der Grund, warum ich Margarethe von Klosterstadt hasse. Ich verachte sie wegen der Art, wie sie Laura behandelt hat. Es war, als hätte sie Laura eingesperrt und verhungern lassen – ohne Liebe, ohne Zuneigung, ohne die tausend kleinen Dinge, die eine Mutter und ihre Tochter verbinden.«
Fabel nickte nachdenklich. Nichts von alledem hatte direkt mit seinen Ermittlungen zu tun, aber der Whisky und der Kummer hatten Schnaubers Wut über einen ungerechten Tod freigesetzt, durch den ein ungerechtes und unglückliches Leben beendet worden war. Nun verstand Fabel, was das leere Zimmer und der Ausblick ins Nichts vom Schwimmbecken aus zu bedeuten hatten.
Schnauber stand auf, ging erneut zum Schrank hinüber und füllte sein Glas. Er blieb einen Moment lang mit der Flasche in der einen und dem Glas in der anderen Hand stehen und schaute aus dem Fenster, die Eppendorfer Landstraße entlang. »Manchmal hasse ich diese Stadt. Manchmal hasse ich es, ein verfluchter Norddeutscher mit all den Verklemmungen und allden Schuldgefühlen zu sein. Schuld ist etwas Schreckliches, nicht wahr?«
»Sie könnten Recht haben«, antwortete Fabel. Schnaubers Gesichtsausdruck kündigte jetzt etwas an, das Fabel während seiner Laufbahn schon oft gesehen hatte: die nervöse Unentschlossenheit eines Menschen, der kurz davor steht, ein Geheimnis zu enthüllen. Fabel durchbrach das Schweigen nicht und erlaubte Schnauber, eine Entscheidung zu treffen.
Schnauber wandte sich vom Fenster ab. »Sie erleben es wahrscheinlich dauernd. Als Polizist, meine ich. Ich wette, es gibt da draußen Leute, die die fürchterlichsten Verbrechen begehen – Mord, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch – und die dabei überhaupt keine Schuldgefühle kennen.«
»Leider ja, solche Leute gibt es.«
»Und das macht mich wütend… dass man ohne Schuldgefühle nicht bestraft wird. Wie die alten Nazischeusale, die sich weigern, das Unrecht einzugestehen, das sie begangen haben, während die nächste Generation von einem Schuldgefühl für
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