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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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gibt’s etwas, das du sehen musst.« Scholz krümmte die Schultern in der Kälte und führte Fabel zu den mächtigen dunklen Türflügeln von St. Ursula. Fabel folgte ihm in die Kirche. Er blickte hinauf zu den gewölbten Decken und dem Buntglas, das im trüben Winterlicht leuchtete.
    »Sehr schön.«
    »Das ist es nicht, was ich dir zeigen wollte.« Scholz geleitete Fabel zu einer verstärkten Tür rechts neben dem Haupteingang.
    »Wir bleiben hier«, sagte Tansu. »Da unten gruselt es mich.«
    Fabel und Scholz stiegen ein paar Steinstufen hinunter und erreichten die Krypta der Kirche.
    »Tagsüber ist sie für die Öffentlichkeit geöffnet, aber sie wird ständig durch eine Videokamera überwacht. Und die massive Tür, die du gerade gesehen hast, ist nachts abgesperrt und hat dazu noch ein Zeitschloss.«
    Fabel blieb wie angewurzelt stehen. Die Decke war weiß gestrichen und mit vergoldeten Ornamenten geschmückt. Der gesamte übrige Raum schien mit Gold überzogen zu sein. Doch ihn faszinierte das, was sich unter dem Gold verbarg.
    »Die Goldene Kammer«, erklärte Scholz. »St. Ursula ist die zweitälteste romanische Kirche in Köln. Bevor die Stadt ihr nahe gerückt ist, lag da draußen einmal ein ausgedehnter Friedhof noch aus römischen Zeiten.«
    Fabel sah sich in der Kammer um. Der Zierrat an den Wänden bestand aus Knochen und Schädeln. Aus wirklichen Knochen und Schädeln, die man in den Mörtel gedrückt und in geometrischen Mustern angeordnet hatte. Es waren Hunderte. Tausende. Sämtlich vergoldet. Die Kunst des Todes. In die Wände der Kammer waren außerdem kleine Nischen eingelassen. Jede enthielt eine Gipsbüste.
    »Kennst du die Legende der heiligen Ursula?«, fragte Scholz.
    Fabel schüttelte den Kopf. Er versuchte noch, den Eindruck der Kammer zu verarbeiten. So viele Tote. Vergoldete menschliche Überreste, die als Schmuck benutzt wurden. Es war ehrfurchtgebietend. Und widerlich.
    »Ursula war eine britannische Prinzessin, die mit elftausend Jungfrauen hierher reiste. Unglücklicherweise wurde Köln nach ihrer Ankunft gerade von geilen Hunnen aus dem Osten belagert. Ursula und ihre Jungfrauen beschlossen, lieber zu sterben, als ihre Ehre zu verlieren – oder so ähnlich.« Er lachte. »Heute würde es schwerfallen, elftausend Jungfrauen in Köln zu finden. Egal, ursprünglich lautete die Geschichte, dass die heilige Ursula von elf Jungfrauen begleitet wurde, aber du kennst uns Kölner ja … Wir haben die Zahl zunächst auf elfhundert und dann auf elftausend erhöht. Jedenfalls gibt es gute Gründe für die Annahme, dass es um das fünfte Jahrhundert herum zu einem Martyrium kam, bei dem Jungfrauen eine Rolle spielten. Der Legende nach wurden sie hier auf dem Friedhof beigesetzt. Als man ihn ausgrub, wurde die Goldene Kammer gebaut, um die Reliquien darin unterzubringen und auszustellen. Am wahrscheinlichsten ist, dass diese Gebeine aus einem Zeitraum von zwei Jahrhunderten stammen. Außerdem hat man Dutzende von Ossuarien gefunden, und diese Gipsbüsten enthalten die Überreste derjenigen, die vermögend genug waren, um sich einen besonderen Platz zu sichern.«
    »Das klingt makaber«, meinte Fabel.
    »Das ist der Katholizismus«, meinte Scholz. »Wir legen großen Wert auf ein Memento mori. Amüsier dich, solange du lebst, aber denk daran, dass Tod und Ewigkeit auf dich warten. Es ist eine Vorstellung, die wir in Form des Karnevals verfeinert und konzentriert haben.«
    »Warum wolltest du, dass ich mir die Kammer angucke?«, fragte Fabel. »Meinst du, dass es einen Zusammenhang gibt? Mit der Jungfrauenlegende und der Goldenen Kammer? Laut Tansu wurde das Vergewaltigungsopfer vor sieben Jahren hinter dieser Kirche überfallen. Und sie war Jungfrau.«
    »Es ist möglich, dass eine Verbindung zwischen dem Fall von damals und den Morden besteht. Aber ich dachte, dass du dir die Kirche ansehen solltest. Beide Morde sind sehr nahe bei St. Ursula verübt worden. Vielleicht hat all das« – Scholz machte eine ausladende Handbewegung – »eine besondere Bedeutung für den Mörder. Er könnte angenommen haben, dass Melissa Schenker noch Jungfrau war. Jedenfalls führte sie ein ziemlich enthaltsames Leben. Sabine Jordanski hingegen dürfte diesen Zustand schon lange vorher bereitwillig hinter sich gelassen haben.«
    Fabel nickte. »Aber durch irgendetwas muss er auf diese Frauen aufmerksam geworden sein. Nicht nur dadurch, dass ihr Körperbau seinem Geschmack entsprach. Er muss sie vor der Nacht, in

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