Jan Fabel 04 - Carneval
wird?«
»Blödsinn«, rief Buslenko.
»Nein … nein, einen Moment«, protestierte Stojan. » Sie war draußen, als Worobjowa umgebracht worden ist.«
Buslenkos Gesicht verdüsterte sich. »Das reicht! Wollt ihr mir wirklich weismachen, dass sie« – er deutete mit einem Kopfnicken auf Olga – »in der Lage war, den besten Personenschutzexperten, mit dem ich je zusammengearbeitet habe, zu überrumpeln? Nichts für ungut, Hauptmann Sarapenko.«
»Keine Ursache«, sagte sie. »Auch ich kenne meine Grenzen. Aber vielleicht ist das der Grund, warum sie uns noch nicht erledigt haben. Sie könnten darauf warten, dass wir ausrasten.«
»Schon möglich.« Buslenkos Miene verriet, dass er eine Entscheidung getroffen hatte. Er schaute auf seine Uhr. »In zwei Stunden wird es hell. Ich möchte, dass wir den Wald bis dahin hinter uns haben. Holt eure Ausrüstung. Wir machen einen Spaziergang.«
»Stojan, an die Spitze.« Buslenko blickte zum Himmel hinauf. Der Mond stand niedrig und schien die borstigen Baumkronen zu berühren. Er war dankbar für die wenigen Wolken, die von Westen herangetrieben waren. »Olga, ich nehme an, du kannst damit umgehen …« Er warf ihr ein Wepr-Sturmgewehr zu.
»Ja.«
Buslenko zeigte auf den Fluss links von der Jagdhütte. »Wir benutzen das Ufer wieder als Deckung. Duckt euch und bleibt zusammen. Wenn wir attackiert werden, dann vom Wald her, weil es dort mehr Schutz gibt. Sie müssen aus ihrem Versteck herauskommen, um anzugreifen. Vor allem sollten wir auf Granaten achten. Oder vielleicht haben sie unsere Route vorausgesehen und Sprengfallen gelegt. Passt auf Stolperdrähte auf.«
Er deutete Stojan mit einer Handbewegung den Countdown an. Bei eins rannte der Krimtatar aus der Hütte, über die Anfahrt und zum Ufer hinunter. Er lief gebeugt, doch zügig. Buslenko wartete. Kein Beschuss. Stojan gab mit einer Geste Entwarnung, und Buslenko schickte Olga Sarapenko und dann Belozerkowski zum Fluss hinüber. Immer noch kein Angriff.
Es leuchtete ihm nicht ein. Dies war der Zeitpunkt, sie einen nach dem anderen abzuknallen. Sie schienen vor Gespenstern zu fliehen. Vielleicht hatte Belozerkowski recht, und der Mörder war einer von ihnen. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass einer der übrig Gebliebenen Worobjowa mit einer solchen Leichtigkeit ausgeschaltet hätte. Eine Frau schon gar nicht.
Buslenko richtete das Nachtsichtgerät, das er an sein Wepr montiert hatte, auf den Waldrand. Schließlich stürmte auch er über den schneeverkrusteten Weg zum Flussufer.
9.
Maria suchte drei Stunden lang nach dem BMW. Sie war sicher gewesen, ihn irgendwo am Straßenrand zu finden, wo der Ukrainer über dem Lenkrad zusammengesackt sein musste. Ihre Gefühlskälte verstörte sie ein wenig. Schließlich hatte sie aller Wahrscheinlichkeit nach gerade einen anderen Menschen getötet oder schwer verletzt. Andererseits hatte er selbst versucht, sie umzubringen, und Todesfälle gehörten für diese Leute zum Alltagsgeschäft.
Maria kehrte noch einmal zurück, um nach Abfahrten Ausschau zu halten, die sie eventuell übersehen hatte, doch es gab keine. Er war entkommen. Sie blickte auf die Tankanzeige: Das Benzin wurde knapp, und sie wusste nicht genau, in welcher Richtung die Autobahn nach Köln lag. Außerdem schien ihr selbst der Treibstoff auszugehen. Die bleierne, schmerzhafte Müdigkeit ihres Körpers stoppte die Adrenalinproduktion, die sie während der Jagd beflügelt hatte. Irgendwann gelangte sie an eine Kreuzung, an der sich Hinweisschilder auf Düsseldorf, Köln und die Autobahn 57 befanden. Sie schlug den Rückweg zur Stadt ein.
10.
Nach Buslenkos Schätzung hatten sie in der vergangenen Stunde fünf Kilometer zurückgelegt. Nicht schlecht, wenn man das Terrain und die Dunkelheit bedachte. Sie waren auf keine Sprengfalle und keinen Hinterhalt gestoßen. Buslenko glaubte allmählich, dass kein Feind im Wald wartete. Olga hatte sich besonders gut gehalten, denn schließlich hatte sie nicht die gleichen Härten in der Ausbildung durchgemacht wie die Übrigen.
»Ruht euch aus«, befahl er.
»Ich werd dir was sagen …« Belozerkowski ließ sich neben Buslenko nieder und lehnte sich mit dem Rücken an die gefrorene Böschung. »Es gibt keine Angreifer. Es muss einer von uns gewesen sein.«
»Wo willst du hin?«, rief Buslenko zu Stojan hinüber, der in gebückter Haltung die Böschung hinaufkletterte.
»Ich möchte mich umschauen, Chef. Aber ich passe schon auf. Danach gehe ich
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