Jane Blond 03 - Jane Blond greift nach den Sternen
schlafen.«
Janey gab ihm wortlos einen Kuss auf die Wange und ging in den Flur. Als sie sich noch einmal umdrehte, um Gute Nacht zu sagen, bemerkte sie, wie ihr Vater ihr hinterherstarrte, mit demselben nachdenklichen Gesichtsausdruck. »Schlaf gut, Pa«, sagte sie. Er nickte nur. Janey ging zu ihrem Zimmer, und einen Moment später hörte sie Schritte und die Hintertür zufallen, als Abe nach draußen ging.
Er war müde, sagte sie sich, während sie an dem Zimmer vorging, in dem Alex schlief. Er machte sich Sorgen wegen des vermasselten Schafauftrags. Sie versuchte so viele Gründe wie möglich dafür zu finden, dass Abe so unfreundlich zu ihr war. Aber schließlich siegten ihre Agenteninstinkte doch. Durch Olivias geöffnete Zimmertür griff sie schnell in ihre Tasche, holte den tragbaren SPIomat-Duschkopf heraus und schlich zur Vordertür hinaus.
Irgendetwas stimmte nicht. Ihr Vater verhielt sich merkwürdig. Vielleicht hatten die vielen Jahre als Agent ihn besonders heimlichtuerisch werden lassen, doch vor Janey musste er schließlich nichts verstecken. Er steckte tiefer im Schlamassel, als er es ihr gegenüber zugeben wollte. Diese E-Mail war keine allgemeine Warnung gewesen, da war Janey sich sicher. Er brauchte Jane Blond. Irgendetwas ging hier vor sich, und sie würde herausfinden, was es war.
Verschwörung gegen Janey
Im Schutz der schnell dunkler werdenden Schatten schlich Janey über den Hof und drückte sich dann eng an die Außenwand des SPIon-Labors. Sie konnte wieder diesen Lichtfleck auf dem Boden erkennen, und ein weiterer Sturm wirbelte allerlei Unrat durch die Luft. Der Wind war so stark, dass Janey kaum von der Stelle kam. Mit aller Kraft hangelte sie sich an der Laborwand entlang bis zu einem Fenster und riskierte einen Blick. Hätte sie doch bloß einen SPIomat zur Verfügung gehabt! Dann wäre sie jetzt als Jane Blond unterwegs und hätte ganz einfach ihre Agentenbrille hochhalten können, um bequem und unerkannt hineinzuschauen. Doch leider trug sie nur Jeans und einen kratzigen Wollpullover von Olivia und war nicht Jane, sondern Janey. So musste sie also selbst an der Wand hochklettern und vorsichtig durch die Scheibe linsen. Janey bemühte sich, möglichst leise zu sein, um ihre Anwesenheit nicht zu verraten. Der starke Wind erschwerte das, deshalb wartete sie kurz, bis die nächste Böe vorbei war, damit sie nicht so dagegen ankämpfen musste.
Es überraschte Janey nicht, als sie Abe dort drinnen in einem weißen Laborkittel und mit Schutzbrille entdeckte. Zuerst dachte sie, er würde die Spitze der Metalltüte genauer untersuchen, die wieder kurz über dem Boden des Labors tanzte. Bei genauerem Hinsehen fiel ihr jedoch auf, dass sich seine Lippen bewegten. Sie folgte seiner Blickrichtung an der Tüte vorbei, die Metalltreppe hinauf auf die Landeplattform der Fliegenden Leiter, wo Big Rosie erst vor Kurzem ausgestiegen war. Die Plattform war nicht leer. Abe redete tatsächlich mit jemandem.
Es waren Olivia und Alex. Nicht krank. Ohne Lebensmittelvergiftung. Sie sahen völlig gesund und fit aus.
Janey war sprachlos und ließ sich wieder zu Boden sinken. Sie schluckte hörbar. Der Betrug war unfassbar, und Janeys Magen schnürte sich schmerzhaft zusammen. Wie konnte ihr Vater ihre Hilfe ablehnen, sie ins Bett schicken und sich anschließend heimlich mit Alex und Olivia treffen? Wie konnten ihre eigene Zwillingsschwester und ihr bester Freund vorgeben, krank vor Übelkeit zu sein, um dann hinter ihrem Rücken fit wie ein Turnschuh nach draußen zu schleichen? Das gab Janey einen Stich ins Herz.
Sie konnte den erneuten Anblick kaum ertragen, und doch lugte sie ein weiteres Mal durch das Fenster. Alex und Olivia gingen die Treppe hinunter, und hinter ihnen öffnete sich die Tür zur Fliegenden Leiter. Janey wäre überhaupt nicht überrascht gewesen, wenn jetzt auch noch Big Rosie dort erschienen wäre - doch genau in diesem Moment ertönte ein klägliches Blöken vom Haupteingang des Labors. Alle drei Augenpaare wendeten sich dorthin. Janey duckte sich schnell.
»Paaa«, jammerte es erneut.
Zottel! Das Blöken klang verzweifelt, doch Janey hatte nicht das Verlangen zu helfen. Sie war ja sowieso nicht erwünscht und wurde scheinbar auch nicht gebraucht. Und obwohl das nicht Zottels Schuld war, fühlte Janey solch eine Wut in sich aufsteigen, dass sie sich in dem Moment nicht einmal für ihr Lieblingsschaf interessierte. Sie konnte hören, wie sich schwere Schritte der
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