Jane Christo - Blanche - 01
sie verdammt noch mal nicht auslachen.
„Blanche, mein Liebling“, hauchte er an ihr Ohr, küsste es und fuhr mit seinen Lippen über ihre geschlossenen Lider, die Brauen, den Nasenrücken. Er gab ihrer Nasenspitze einen Kuss, was ihr ein Lächeln entlockte.
Nicht aufhören.
„Lass mich nicht länger warten“, bat Beliar mit seiner zartbitteren Samtstimme. „Ich möchte deine Augen sehen.“
Ein letztes Mal atmete sie seinen Duft ein, dann gab sie sich einen Ruck, blinzelte und versank in einem schiefergrauen Nordmeer.
„Du bist tot“, flüsterte sie, während ihr Blick durch sein vernarbtes Patriziergesicht mit den hohen Wangenknochen wanderte und den unerhört weichen Lippen, deren Abdruck sie noch immer auf ihrer Nase spüren konnte.
„Dämonen sind unsterblich.“
Sie streckte die Hand aus, und berührte mit den Fingerspitzen den Rücken seiner römischen Adlernase. „Ich habe gesehen, wie du verschwunden bist, wie die halbe Straße verschluckt wurde. Nichts ist übrig geblieben, genau wie bei Wayne.“
„Ich bin ein Erzdämon. Wayne war ein Jäger. Letztere können sterben, ich dagegen nicht.“
„Aber ich habe es gesehen.“ Sie setzte sich auf und rutschte herum, sodass sie rittlings auf seinem Schoß saß und ihn eingehend betrachtete. Als sie die zärtliche Hingabe in seinem Blick sah, wurde ihr Hals eng. Mit beiden Händen fuhr sie durch sein Rabenhaar, dann rutschte sie so dicht es ging an ihn heran und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Sie atmete Zimt und sein allgegenwärtiges Kaffeearoma ein. Und da war noch etwas, ein feiner Duft, den sie vorher nicht wahrgenommen hatte. Er roch nach Sonne. Ihre Hände wanderten seinen Hals entlang, glitten über die skulpturierten Schultern, bis sie auf seiner nackten Brust liegen blieben.
Er war echt. Er lebte. Und er war hier.
Sie umschlang seine Taille mit den Beinen und presste ihren Körper gegen seinen. Ihr Dämon hüllte sie in eine innige Umarmung, während seine Hände beruhigend über ihren Rücken strichen.
„Ich verstehe das nicht. Wie …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist doch alles verschwunden. Was ist passiert?“
Beliar nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und küsste sie. Es war ein scheuer, fast keuscher Kuss. Eine kurze Berührung ihrer Lippen, doch es reichte, um sie zu beruhigen.
„Erinnerst du dich an die Dämonenwaffe?“, fragte er leise.
Als ob sie die vergessen könnte.
„Ich habe mir erlaubt, die beiden verbliebenen Patronen an mich zu nehmen. Wie du dir denken kannst, sind die Glasphiolen keine gewöhnliche Munition. Die Geschosse enthalten einen Partikel dunkler Materie, umgeben von flüssigem Ozon. Zwei dieser Projektile reichen aus, um sehr mächtige Dämonenfürsten zurück zu ihrem Herrn zu schicken.“
„Willst du damit sagen, dass die drei wieder bei Saetan sind?“
Beliar nickte. „Dort sollten sie mittlerweile angekommen sein. Falls nicht, wurden sie am Höllentor aufgehalten.“
„Ich dachte, das wäre der Eingang zu Saetans Spabereich.“
„Saetan herrscht über die Unterwelt. Die Hölle ist der Ort, der sich der Zwischenwelt anschließt. Genau genommen ist sie auch kein Ort, sondern ein Zustand, der weder an einen Raum noch an unsere Zeitvorstellungen gebunden ist. Sie ist ein Erkenntnisstadium, in dem die Seele gereinigt wird. Wir haben schon einmal darüber geredet, erinnerst du dich?“
Vage. Damals hatte er über beschädigte Seelen geredet, die unfähig waren, im Licht der Erkenntnis zu bereuen. Und dass die Phase, in der man den Schmerz seiner Opfer am eigenen Leib erlebte, Hölle genannt wurde. Die reumütigen Seelen kamen zu Erzengel Miceal, die selbstgefälligen zu Saetan.
„Dann warst du dort?“
Beliar nickte. „Ich bin ebenfalls durch meine persönliche Hölle gegangen.“ Bei der Erinnerung verkrampfte sich sein Kiefer.
„Und warum wurdest du danach nicht zu Saetan geschickt?“
Leise stieß er den Atem aus und zog sie näher zu sich. „Weil ich ein freier Geist bin“, murmelte er in ihr Haar. „Ein abtrünniger Dämon ohne Herrn.“
„Ich dachte, das wäre Saetan.“
„Das war er auch, solange ich ihn akzeptiert habe. Indem ich mich seinem Befehl widersetzte, wurde ich zum Geächteten.“
„Welchem Befehl?“, flüsterte sie in seine Halsbeuge, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
„Waynes Seele bei ihm abzuliefern.“
Blanche kam sich vor wie in einer Quizsendung, in der sie die Fragen stellte. Und allmählich näherten sie sich der
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