Jane Christo - Blanche - 01
Seele frei und er könnte Frau und Kind wiedersehen.“
Blanches Brust wurde eng. Was hätte sie darum gegeben, Wayne ihre Treue beweisen zu können. „Aber ich hatte doch keine Gelegenheit, seine Seele zu befreien“, wiederholte sie mit erstickter Stimme.
„Ich weiß“, bemerkte Beliar mitfühlend. „Aber ich.“
Sie rückte von ihm ab und setzte sich kerzengerade auf. „Was hast du gesagt?“
„Damals wusste ich nicht, was ich tat“, sagte er leise. „Zumindest nicht das ganze Ausmaß. Als ich Wayne in der Gasse verschonte, befreite ich ohne es zu wissen seine Seele. Dass ich ihn laufen ließ, obwohl ich die Gelegenheit hatte, ihn an Saetan auszuliefern, war ein Akt der Liebe, also das, was Miceal gefordert hatte.“
Dennoch passte es nicht. Beliar tat es nicht aus Liebe zu Wayne, sondern ihretwegen. Warum hatte es trotzdem funktioniert?
„Wayne trug genug Bedauern in sich“, sagte Beliar, „dass es Miceal ermöglichte, ihn wieder in seine Reihen aufzunehmen.“
„Durfte er das denn? Ich meine – was ist mit dem Pakt?“
„Saetan konnte sich kaum beklagen, immerhin war er es, der Wayne zuerst verraten hatte. Er ist gierig geworden und hielt es für überflüssig, sich an universelle Gesetze zu halten. Regeln, die er selbst aufgestellt, und um die er jahrhundertelang mit den Seraphen gefeilscht hatte. Damit hat er sich aus dem Spiel geworfen, denn ohne seinen Eidbruch hätte Miceal nichts für Wayne tun können.“
Blanche brachte noch ein bisschen mehr Abstand zwischen sich und Beliar, um besser denken zu können. „Ich fasse dann mal zusammen: Waynes Seele war in dem Augenblick frei, als du sie in der Rue André Gill verschont hast?“ Sie blickte fragend zu ihm auf und er nickte. „Dennoch begreife ich nicht, warum du das getan hast, ich meine, wir kannten uns doch kaum.“ Genau genommen wusste sie noch immer nicht viel über ihn, doch das sprach sie nicht aus.
Beliar beugte sich vor und zog sie wieder an sich. „Ich tat es, um dir Kummer zu ersparen“, sagte er und küsste ihre Schläfe. „Die Erschütterung meiner Loyalität muss bei Saetan wie ein Erdbeben angekommen sein. Das würde auch erklären, warum er mir unverzüglich seine Höllenfürsten hinterhergejagt hat.“ Beliars Blick wurde finster. „Zunächst nahm ich an, dass er mich für meinen Ungehorsam bestrafen wollte, doch sein Zorn ging tiefer. Waynes Seele war für ihn unwiderruflich verloren, darum wollte er dich umso mehr.“
Blanche schüttelte den Kopf „Ich verstehe das nicht. Was will er von mir und warum wirft er Wayne nach all den Jahren wie ein benutztes Taschentuch weg?“
„Saetan muss seinen wachsenden Widerstand gespürt haben. Ahnte, dass er sich mit dir absetzen würde, sobald der erste Pakt erfüllt wäre.“ Beliar ergriff ihre ineinander verschränkten Hände. „Außerdem darfst du deine Energie nicht vergessen.“
Ihre was?
„Du bist ein Temperamentsbündel und strahlst Wut und eine gewaltige Entschlossenheit aus. Zorn ist gebündelte Lebensenergie, Blanche. Auf Dämonen wie Saetan, für den Schuld und Hass besondere Delikatessen sind, wirkst du wie ein rauchender Vulkan. Er sieht die Glut und das Potenzial in deinem Inneren.“
Blanche zog eine Grimasse. Für Saetan waren Menschen nichts weiter als Schokoriegel – Energielieferanten, die er nach Herzenslust aussaugen konnte.
„Also hatte er vor, Wayne wie eine verbrauchte Batterie gegen mich zu ersetzen, damit ich sein neues Duracell-Häschen spiele?“
„So könnte man es ausdrücken.“
„Dann ist Wayne jetzt …“, Blanche brachte es nicht über sich, im Himmel zu sagen. „Bei seiner Familie?“
„Ich habe keinen Grund, an Miceals Wort zu zweifeln.“
Er vielleicht nicht, aber wenn Saetan sein Wort brechen konnte, warum nicht auch der Erzengel?
Eine andere Frage drängte sich in den Vordergrund. „Wo ist der Recaller jetzt?“ Blanche hatte ihn zuletzt in die Klimaanlage im Georg V. versteckt, aber wenn Beliar die Patronen entfernt hatte, war die Waffe vermutlich nicht mehr an ihrem Platz. Apropos Hotel: Irritiert sah sie sich in dem prächtigen Zimmer um und ergänzte „Wo zum Henker sind wir eigentlich?“
Beliar lachte leise und zog sie wieder auf seinen Schoß. „Im zweiten Arrondissement in der Nähe der Place Vendôme.“
„Im Ritz?“
Er nickte schmunzelnd.
„Du hast eine Schwäche für Luxushotels“, tadelte sie ihn.
„Ich bin ein Dämon, und Genusssucht ist nur eins meiner Laster.“
„Ich dachte, du
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