Jane Christo - Blanche - 01
vorhatte, ihn zu hintergehen. Dass er sich als Nächstes sein Protégé holen und in einen Pakt drängen würde.“
„Mich?“
Beliars Kinn stupste gegen ihre Schläfe, als er nickte. „Wayne sollte schon bald sterben, damit er Saetan nicht länger im Weg stehen würde. Außerdem war seine Seele durch die zahlreichen Auftragsmorde schwer belastet. Der oberste Höllenfürst nährt sich vorzugsweise von Hass und Schuld, musst du wissen, zwei seiner Lieblingslaster, die einander zuarbeiten. Von Waynes Schuldenpolster hätte Saetan ein Jahrhundert zehren können, doch du hast den Hass in ihm gebrochen, das schmeckte Saetan nicht.“ Beliar strich mit der freien Hand durch ihr zerzaustes Haar. „Tchort muss sehr überzeugend gewesen sein. Er hat Wayne klargemacht, dass Saetans Verrat unmittelbar bevorstand und dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Dass er dich nicht retten kann.“
„Und das hat er geglaubt?“
Beliar sah aus, als versuchte er zu lächeln, während er gleichzeitig in eine Zitrone biss. „Dämonen können nicht lügen, Blanche.“
Stimmt, das hatte er schon mal erwähnt. Pakte, die auf Unwahrheiten basierten, hatten keinerlei Bindung und blieben somit wirkungslos. Aus diesem Grund hatte Saetan seinen Dienern das Lügen ausgetrieben.
„Als Gegenwert für seine Freiheit hat Tchort Wayne einen Blutschwur angeboten. Falls er ihn laufen ließ, wollte Tchort sich um dich kümmern, wenn Wayne dazu nicht mehr in der Lage wäre.“
Seit wann musste man auf sie aufpassen, als wäre sie ein tollpatschiger Welpe? „Warum hat Tchort nicht das Gleiche wie du gemacht? Ich meine, sich von Saetan abwenden und sein eigenes Ding durchziehen? Dann hätte die Dämonenwaffe nichts gegen ihn ausrichten können, oder?“
„Tchort ist weder ein freier Geist wie ich noch ist er ein Erzdämon – das hat Saetan ihm verwehrt. Doch einen Schwarzen Gott hält man nicht ewig an der kurzen Leine. Saetan hat Tchorts Freiheitsdrang und seinen Machthunger unterschätzt.“ Beliars Daumen strich behutsam über ihre Wange. „Wayne ging darauf ein, doch er verlangte mehr als einen Blutschwur. Er witterte seine Chance und ließ den Dämon einen Eid ablegen, dass er sich bei Erzengel Miceal für ihn verwenden würde. Denn sollte Wayne ohne Fürsprecher sterben, würde er auf direktem Wege in die Unterwelt absteigen. Dazu musst du wissen, dass Menschen mit Pakten keine Wahl haben. Sie passierten das Höllentor, ohne dem Licht der Wahrheit ausgesetzt zu sein und gelangen unverzüglich zu ihrem neuen Herrn. Deswegen bekommt Miceal sie nicht einmal zu sehen. Für Wayne hätte das den endgültigen Bruch mit seiner Familie bedeutet, denn durch den zweiten Pakt hatte er sich jede Chance auf eine Wiedervereinigung verbaut.“
Waynes Familie. Ein eifersüchtiger Stich bohrte sich wie ein vergifteter Pfeil in ihr Herz. Blanche hatte immer geglaubt, dass sie Waynes Familie wäre. Stattdessen hatte sie entdeckt, dass er einst Ehemann und Vater gewesen war. Eine Tochter hatte. Marie, der sie so ähnlich sah. Ihretwegen hatte er sie vor den Verfolgern gerettet. Hätte er sie damals sterben lassen, wenn sie seiner Tochter nicht so ähnlich sehen würde? Wahrscheinlich nicht. Aber er hätte sie niemals bei sich aufgenommen.
„Wenn es Tchort gelänge, Miceal davon zu überzeugen, Wayne Gelegenheit zur Reue zu geben, hätte er zumindest die Aussicht auf ein Wiedersehen mit Frau und Kind.“
„Wozu bereuen?“, flüsterte Blanche in seine Halsbeuge. „Er hatte doch einen Pakt mit Saetan.“
„Bedauern öffnet Türen, Blanche. Es ist die Chance, sich zu bewähren.“
„Aber …“
„Lass mich erst alles erzählen.“ Er strich ihr eine vorwitzige Haarlocke hinters Ohr. „Wayne ging auf Tchorts Angebot ein. Er ließ dem abtrünnigen Dämon die Freiheit, nachdem dieser den Schwur geleistet hatte und wurde kurz darauf von Saetan an Zoey verraten. Im Zwischenreich zeigte sich, dass der Schwarze Gott Wort gehalten hatte, denn Miceal blockierte den Weg von Waynes Seele. Statt unverzüglich in die Unterwelt einzugehen, steckte sie fest. Wayne wurde von Miceal dem Licht ausgesetzt und was immer der Engel darin erkannte, veranlasste ihn dazu, deinem Mentor einen Ausweg anzubieten. Wayne hatte sich zweimal in seinem Leben barmherzig gezeigt: Einmal, indem er dich vor Zoey rettete und bei sich aufnahm und bei Tchort, den er laufen ließ. Wenn sich nun umgekehrt jemand in einem Akt bedingungsloser Liebe seiner erbarmen würde, wäre Waynes
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