Jane Christo - Blanche - 01
was mich davon abhalten sollte, deinem erbärmlichen Leben hier und jetzt ein Ende zu setzen.“
Eine Pause entstand, in der sie sich giftige Blicke zuwarfen. Leo wandte sich als Erster ab. „Sie kamen zu dritt“, sagte er tonlos. „Zwei von denen waren typische Schläger, ich kannte keinen von ihnen.“
„Irgendwelche Namen?“
„Einer nannte den Anführer Joey oder Zoey.“
„Wie sah er aus?“
„Ein blonder Kerl, groß, vielleicht einsfünfundachtzig, athletisch. Er hatte blaue Augen, aber nicht wie deine, Mädchen. Sah wie ein scheiß Engel aus, mit einem verdammt kräftigen linken Haken. Dachte, er bricht mir den Kiefer …“
In ihren Ohren dröhnte es so laut, dass sie den Rest nicht mehr mitbekam. Vor ihrem inneren Auge erschienen wieder die Gasse und die schwarze Limousine. Der Todesengel, der aus dem Wagen stieg, mit einem Lächeln auf den Lippen und diesen hellblauen Augen. Sie erinnerte sich an ihre kindliche Hoffnung, dass jemand, der so schön war, niemandem Schaden zufügen könnte, bis er sie am Hals packte und in den Wagen warf.
Als Leo schwieg, atmete sie tief durch und steckte das Messer weg. Wie es aussah, waren die Russen hinter Wayne her und unter ihnen befand sich ein alter Bekannter. Auf der Suche nach einem versteckten Ausgang sah sie sich in der leer gewordenen Kirche um. Ihr Blick fiel auf das geschlossene Hauptportal und wanderte zum Nebeneingang.
„Leo, das mit Renée tut mir leid, ehrlich. Ich werde versuchen, ihr zu helfen, aber mit dem Russensyndikat im Nacken kann ich im Moment nicht viel ausrichten. Davon abgesehen habe ich diesen Beliar am Bein. Aber eins kann ich dir versichern: Ich werde diesen Joey so mit Blei vollpumpen, dass man ihn als Strahlenschutzschild benutzen kann.“ Sie beugte sich vor und ihre Blicke verhakten sich ineinander. „Hast du den Russen gesagt, dass wir uns hier treffen?“
Leo schüttelte den Kopf. „Das war nicht nötig, die folgen mir überallhin.“ Er warf ihr einen erbarmungswürdigen Blick zu. „Das mit Renée ist die Wahrheit. Sie haben sie mit Benzin übergossen. Nachdem sie mit mir fertig waren, haben seine Leute mich auf den Parkplatz gezerrt, während dieser Eisklotz hinter uns hergeschlendert ist, als käme er von einer scheiß Party. Hat mich angegrinst und sich eine Zigarette angezündet. Das brennende Streichholz hat er durch die offene Tür in meinen Laden geschnippt. Erst dachte ich, Renée wäre noch drin, die hatten sie ja an die Theke gekettet. Aber einer dieser Hurensöhne hat sie vorn rausgebracht. Ich sollte nur glauben, sie wäre tot.“
Also mussten es mehr als drei Männer gewesen sein.
„Danach haben sie mich k. o. geschlagen und ich bin in einem Dreckloch irgendwo unter der Erde aufgewacht. Dort haben sie mich festgehalten, bis du angerufen hast. Die wussten, dass du dich melden würdest. Gestern durfte ich zum ersten Mal mit Renée sprechen. Sie haben sie vor meine Kellertür gebracht. Sie stank noch immer nach Benzin.“ Leo schluchzte auf. „Diese Bastarde haben mich gefragt, ob ich auf gebratenes Täubchen stehe und ob ich zusehen will, wie meines knusprig wird.“
Das war genau die Art Job, die Wayne zutiefst verabscheut hatte. Er war für einen schnellen Tod, eine Kugel zwischen die Augen oder zwei ins Herz. Oder beides.
„Haben sie sie … ich meine, ist sie …“
„Renée ist tot, Mädchen, das wissen wir doch beide. Sie haben sie wahrscheinlich kurz nach meinem Aufbruch abgeknallt, schließlich brauchen sie mich jetzt nicht mehr.“
Das war korrekt.
„Es tut mir leid“, wiederholte sie.
„Mir auch.“ Seine Stimme war wieder so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte. Sie kratzte den dürftigen Rest ihres ohnehin mageren Mitgefühls zusammen, um den nächsten Satz zu formulieren. „Leo, wenn sie Wayne eine Waffe an den Kopf gehalten und mich aufgefordert hätten, dich zu verraten, dann hätte ich es ohne zu zögern getan. Selbst mit dem Wissen, dass sie ihn trotzdem töten würden.“
Leo versuchte ein Lächeln. „Danke, Mädchen. Es … tut mir so leid, wirklich.“ Er nickte zu der kleinen Tür links neben dem altertümlichen Beichtstuhl. „Die führt in den Kreuzgang. Von dort aus kommst du in einen ummauerten Park. Nimm nicht das Tor zur Rue Saint-Jacques, sonst läufst du ihnen in die Arme. Geh in die Parcheminerie. Die hat eine Hintertür …“
„Zur Rue de la Parcheminerie, schon klar.“ Sie zögerte einen Moment, dann fragte sie: „Warum kommen sie nicht einfach
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