Jane Reloaded - Roman
Sonnenstrahlen helle Punkte tanzen lassen.
Empfindet er es als schön, fragt sich Jane. Sie kann es nicht erspüren und fragt: »Sonne schön?«
Er antwortet nicht. Er ist beleidigt, das spürt sie genau. Jane stellt sich seine Begründung so vor: schön sonne warm draußen frau denken jamie affe dumm tier falsch still ruhe.
Stimmt das, Jamie? Sie versucht, sich weiter in ihn hineinzuversetzen. Habe ich dich gekränkt und von oben herab behandelt? Der Kontakt zu ihm scheint abgerissen zu sein, er ist ganz in sich gekehrt. Sie ist für ihn überhaupt nicht mehr vorhanden.
Langes Schweigen macht nur die Menschen nervös, die anderen großen Menschenaffen stört das kaum. Die halten es sehr lange ohne Laute aus, erinnert sich Jane. Im gegenseitigen Anschweigen sind sie uns haushoch überlegen und offenbar gilt das auch für einen Homo erectus.
Ihre rechte Schulter schmerzt. Das gibt sicher einen blauen Fleck. Als sie sich an seinen harten Griff erinnert, empfindet sie zum ersten Mal so etwas wie Furcht vor ihm. Außerdem hat sie schon wieder den Faden verloren und die geplanten, vorbereiteten Gesten und Worte vergessen, die ihr jetzt nur noch lächerlich vorkommen. Jane ärgert sich über sich selbst, weil Jamie sie auch dieses Mal aus dem Tritt bringt. Sie ist nervös, rutscht hin und her und ist verwirrt. Denn da ist auch noch dieser starke unbekannte Geruch, der von ihm ausgeht. Kaum auszuhalten! Das letzte Mal ist ihr das gar nicht aufgefallen.
Sie hält sich ihre rechte Hand vor die Nase, schnuppert an der eigenen Haut, um das fremde Andere nicht mehr riechen zu müssen, um sich zu beruhigen. Sie ist froh, als der Pfiff ertönt und die quälende Stille endet. Jamie steht sofort auf, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Ist er eigentlich schön, fragt sich Jane, als sie ihm hinterherblickt. Seine Arme sind etwas länger als bei einem männlichen Homo sapiens. Er geht auch etwas breitbeinig, aber sehr sicher; weder tapsig noch schwankend bewegt er sich fort. Die Hose sitzt gut, aber er sollte auch ein Hemd tragen und nicht mit bloßem Oberkörper herumlaufen, das sieht sogar ein wenig schamlos aus, weil er sich so langsam, fast lasziv bewegt. Sie beschließt, heute Nachmittag bei dem thaimylanischen Laborschneider einige Hemd-Hosen-Sets für Jamie in Auftrag zu geben. Und, das muss sie den Pflegern unbedingt sagen: Sie sollen darauf achten, dass er sich besser wäscht und pflegt, er riecht zu stark. Duscht ein Homo erectus eigentlich?, fragt sie sich.
Jamie muss ihren prüfenden Blick im Rücken gespürt haben, denn vor der Tür schaut er, wie schon beim ersten Mal, über seine Schulter zu ihr zurück. Er sagt leise ein Wort, das Tanja nicht versteht, und hebt dabei ganz leicht die Hand zum Gruß, genau wie bei ihrer ersten Begegnung.
Sie erwidert seine Geste nicht, ist verwirrt. Erstaunt stellt sie fest, dass sie zittert.
Das letzte Wort habe wie adama geklungen, behauptet einer der Beobachter. Das sei mit der Bedeutung Frau in ihrer HEs-Lautesammlung aufgenommen worden. Jane erinnert sich nur daran, dass ulam Mann bedeutet.
»Ich habe aga verstanden, also Wasser«, widerspricht Rita. »Jamie hat einfach Durst gehabt.«
»Und was heißt noch mal ssou ?«, fragt Jane.
Du, erfährt sie, einfach nur du.
Gregor Li kann seiner Tochter dieses Mal weder gratulieren noch die Unzufriedene trösten. Er hatte an diesem Tag einen unaufschiebbaren Termin außerhalb der Laborzone auf der anderen Seite des Mekong und war schon früh losgefahren. Es gehe um Sicherheitsfragen, das Laos-Labor betreffend, so hatte er sich bereits gestern Abend bei Jane entschuldigt. Die Fahrt hin und zurück dauere mehrere Stunden.
»Geht es noch um die San-Diego-Ausreißer?«, hatte sie gefragt und keine Antwort von ihm bekommen. Wie Kasit wackelte er nur stumm mit dem Kopf. Vielleicht sollte ich mir das auch antrainieren, überlegt Jane kurz, und Gregor damit überraschen, wenn ich mal schweigen will.
Im Nachhinein ist sie froh, dass ihr Vater heute nicht dabei war. Die zweite Begegnung ist nicht so glücklich verlaufen, findet sie, obwohl Jamie die Hose angenommen hat. Und wenn sie sich ärgert, ist sie sowieso lieber allein. Warum bloß hat sie sich von Jamie am Ende nicht verabschiedet? Nicht auszudenken, wenn er sie das nächste Mal ganz ablehnt. Dann schickt Gregor sie nach der Probezeit sicher nach Hause.
Zurück in ihrer Hütte setzt sich Jane unter das Moskitonetz, schubst die zwei Stofftiere verärgert über die Bettkante
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