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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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gebiert Hirngespinste.
    Sie springt auf und lässt alle Bambusrollos herunter, dann geht sie ins Badezimmer und zieht sich nackt aus. Sie hält einen Lappen unter das kühle Wasser und reibt sich den Nacken und die Achselhöhlen, Arme und Beine ab. Im Zimmer ist es schwül, aber sie will die Klimaanlage ausgeschaltet und die Fenster weit offen lassen. Jane schlüpft zurück unter das Moskitonetz und im Bett unter ein dünnes weißes Baumwolllaken, das frisch gewaschen riecht. Sie ist froh, dass die Hütte sie abschirmt vor dem Draußen, wo Myriaden von Insekten umherschwirren. Der Regenwald ist kein Garten Eden. Er ist modrig und schmutzig, gefährlich und bedrohlich, je dunkler es wird. Und nachts verwandelt er sich in ein Angst machendes, brutales Stück Natur. Wie dieser Homo erectus mit seinem verwirrenden Geruch. Inzwischen schläft er nicht mehr auf einem Blätterbeet im Freien, auch er hat in seinem Raum ein Bettgestell mit einer Matratze und einer Decke. Sie haben ihr gestern sein Zimmer gezeigt, als er zu einer Untersuchung gebracht worden war. Beim Anblick der kahlen Wände hatte sie gegrübelt, welche Bilder ihm wohl gefallen würden.
    Jane fasst das Laken, das inzwischen ihre Körperwärme angenommen hat, an zwei Enden, dreht es schwungvoll um, damit die noch kühle obere Seite auf sie fällt, und zieht es langsam über den Kopf. Jetzt ist sie verschwunden wie ein Schmetterling in seinem Kokon. Auf was warte ich eigentlich?, fragt sie sich. In wen oder was will ich mich verwandeln? Weiß die fette Raupe, die ich heute Morgen auf dem Weg in den Haupttrakt gesehen habe, dass sie einmal fliegen wird? Und hat der große Baum, auf dem das Krabbeltier saß, gefühlt, dass er von einer Würgefeige umklammert und ausgesaugt wird? Diese imposanten Parasiten wachsen samt ihren Luftwurzeln, diesen braunen, kordelartigen Anhängseln, von oben nach unten. Und dann diese wuchtigen Baumwurzeln, die steinerne Häuser aus dem 20. Jahrhundert und alte Tempel gesprengt haben, als sei jedes Menschenwerk aus Papier gefaltet. Diese unglaubliche Kraft von Pflanzen hat ihr das erste Mal – da war sie gerade in die Schule gekommen – ein kleiner Löwenzahn vor Augen geführt. Um zu begreifen, wie er einen Asphaltbelag aufsprengen konnte, hatte sie sich neben den Löwenzahn niedergekniet, aber nichts gesehen. Jeden verblühten Löwenzahn hatte sie danach abgerissen und die Fallschirme in die Welt gepustet, aber nicht, weil es so schön aussah. Sie schickte die Samen auf die Reise, damit sie überall keimen und die versiegelte Erde aufbrechen konnten, die so pechschwarz war wie die Nacht da draußen vor ihrer Hütte.
    Jane zieht das Laken herunter, bis ihr Kopf wieder frei ist. Sie lauscht gespannt, aber die tiefe Stimme bleibt verschwunden. In den Baumwipfeln werden gerade andere Affengesänge angestimmt, sie erkennt die lockenden Gjuu-gjuu -Laute eines Gibbonpärchens. Das Duett zieht sich einige Minuten hin und endet mit einer Oa-oa -Sequenz, besonders die Weibchen sind berühmt für diesen abendlichen Gesang. Und heute Abend hat Jane das Gefühl, die Tiere singen nur für sie allein. Die Waldgeräusche geleiten Jane hinüber in ihre Traumwelt. Dort verwandeln sich die Affengesänge in die Rufe von Ardi, Ida und Lucy, diesen ihr seit Langem vertrauten Traumbewohnerinnen.
    Auch in dieser Nacht durchstreift Jane auf einer Zeitreise die afrikanische Savanne. Dieses Mal ist sie allein mit der berühmten Australopithecus- Frau, die gut zwei Köpfe kleiner ist als sie und auf allen vieren schneller rennen kann als jede Sprinterin. Wenn sie sich einmal im hohen Gras aus den Augen verlieren, ruft die Menschenfrau: »Lucy, wo bist du?«
    Die behaarte Frühmenschin mit den kleinen, fast nackten Brüsten antwortet mit Zungenschnalzen und wildem Gehüpfe und Armeschwenken, denn in dem hohen Gras ist sie schwer zu sehen. Und als die zwei sich dann im Schatten eines Tamarindenbaumes wieder treffen, fragt die fünfundzwanzigjährige Lucy die fast gleichaltrige Freundin aus der Zukunft: »Warum ist deine Haut so nackt, Jane?« Sie macht sich mit Mimik und Blicken verständlich, mit Gesten und Anfassen, begleitet von unterschiedlichsten Klick- und Klacklauten, Schnalzen und Zischen und gelegentlichem Grunzen.
    Jane reloaded antwortet in ihrer Sprache: »Damit ich besser schwitzen und deshalb schneller und weiter gehen kann als du. Und vielleicht auch, weil mich die Männer so stärker begehren als dich. Du hast nur nackte Brüste.«
    Lucy hat

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