Jane Reloaded - Roman
reden sie darüber. Das ist leichter, als über das Laos-Labor zu sprechen, ein Thema, das beide meiden, seit sie auf dem Schiff sind. Die Kapitänsfrau kündigt eine Stelle an, wo manchmal Elefanten zu sehen sind. Jane stellt sich mit ihrem Fernglas an die Reling, und schon wenige Minuten später steht im flachen Uferwasser ein Elefant, zwei Halbwüchsige in Badehosen auf seinem Rücken. Durch das Fernglas sieht sie, wie fleckig die Haut des Tieres ist, eingerissen sind seine Ohren, ein Stoßzahn ist abgebrochen, alt und geschunden sieht der Dickhäuter aus. Sie ist enttäuscht, traurig.
Gregor ahnt, wie ihr zumute ist, und versucht sie aufzumuntern: »Arbeitselefanten sehen oft so aus. Aber in unserem Regenwaldbiotop gibt es inzwischen wieder wilde Herden. Seit einiger Zeit erholt sich die Elefantenpopulation stetig.«
Die Kapitänsfrau, die im Hintergrund ruhig gewartet hat, ruft den Reisenden zu: »Morgen kommt eine Stelle, da badet manchmal eine neue Herde.«
Als es dämmert, legt die Mekong Orcide an einer breiten und langen Sandbank an und Jane und ihr Vater setzen sich oben auf den niedrigen Hügel. Die Lichterketten an der Reling werden zu leuchtenden gelben Pinselstrichen. Es ist unglaublich still, auch aus dem Wald dringt kein Vogelschrei. Geräuschlos und zäh fließt der Mekong vorbei. In der Dunkelheit wirkt die Wasseroberfläche geschlossen und schwer wie eine Metallplatte, über die man glaubt, gehen zu können. Das Grün des Hinterlandes mutiert immer mehr zu Schwarz, nur die Bäume und die Bambusbüsche glitzern silbern, als sei eine dünne Schicht Schnee darauf gefallen. Aber es ist nur feiner Staub, der das Mondlicht reflektiert. Jane muss daran denken, dass in Europa bereits Winter ist.
»Wenn ich in Frankfurt zu sehr friere«, sagt Jane, »denke ich an diese Nacht. Die Bootsfahrt war wirklich eine schöne Idee.«
»Ja, es ist schon besonders hier«, pflichtet Gregor ihr bei. »Diesen Abend werden wir sicher nie vergessen.«
Jane nickt, auch ihr ist ein wenig melancholisch zumute, und sie versucht, nicht an später, nicht an ihren Plan, nicht an Jamie zu denken. Sie bohrt ihre Zehen in den hellen, feinen Sand, dessen obere Schicht sogar noch warm ist, nur weiter unten wird es feucht und kühl.
»Wir sollten schlafen gehen«, schlägt Gregor vor. Er steht auf, reicht Jane die Hand und zieht sie hoch. Sie klopfen sich den Sand von den Hosen und gehen hintereinander zurück auf das Boot, das nachts neben der Sandbank liegen bleibt.
Ob ich morgen wirklich noch mehr Elefanten sehe?, ist Janes letzter Gedanke vor dem Einschlafen.
Es wird gerade hell, als Jane von Schritten geweckt wird. Sie zieht sich an und geht nach oben. Der Kapitän marschiert auf dem Deck ungeduldig hin und her, weil Morgennebel über dem Fluss hängt, der sich nur langsam lichtet.
»Erst wenn die Sicht frei ist, können wir losfahren«, erklärt er Jane und verschwindet wieder in seinem Kapitänsstand, wo schon seine Söhne und der Enkel auf ihn warten.
Die Liegen sind noch klamm und so stellt sich Jane an die Brüstung und betrachtet die Orchideen. Plötzlich bemerkt sie aus dem Augenwinkel am Ende der Sandbank eine rasche Bewegung. Es ist eine Gestalt, die sich nähert, schnell, so schnell, dass der Sand aufspritzt. Jane erkennt keine Details, zu diesig ist die Luft. Doch dann hört sie bekannte Laute: Aabaga! – Alarm! Aufgepasst! Dazu ein kurzes Bellen, ein lautes wu, wu. Es ist Jamie! Noch ist der Steg ausgefahren, er rennt ihn hoch und verschwindet im Unterdeck. Jane hört, wie er die Holztreppe heraufhastet und dabei immer zwei oder drei Stufen auf einmal nimmt, bis er das Deck erreicht und keuchend vor Jane steht.
Die Crew in der Führerkabine schaut verstört durch die Seitenfenster, auf der Heckseite kniet die Kapitänsfrau hinter dem Tisch nieder, senkt den Kopf und murmelt Gebete.
Jane steht da wie angewurzelt, weiß nicht, ob sie nicht schreien will oder nicht schreien kann.
Plötzlich erscheint Gregor auf dem Deck, die lauten Schritte auf der Treppe haben ihn aufgeschreckt. Er stürmt sofort auf Jane und Jamie zu. »Was macht er denn hier?«
Jamie dreht sich um, läuft auf Gregor zu und packt ihn an den Schultern, genau wie er es mit Jane bei ihrer zweiten Begegnung gemacht hat, und stößt ihn von sich weg. Gregor strauchelt, kann sich aber gerade noch an einer Liege festhalten. Sein Mobiltelefon rutscht ihm dabei aus der Tasche. Blitzschnell ergreift es Jamie und wirft es in den Fluss.
Die
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