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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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weiter.«
    Jamie packt Jane mit beiden Händen und hilft ihr, aufzusitzen. Sein Körper ist ihr schon ganz vertraut; sie weiß genau, wo sie sich festhalten muss. Er läuft nun etwas langsamer das ansteigende Gelände hinauf.
    Immer mehr entfernen sie sich vom Flusslauf und dringen tiefer in den Urwald ein, stundenlang. In den Baumwipfeln schwingen manchmal Gibbons, begleiten dieses seltsame Wesen mit den zwei Köpfen. Ein steiler Anstieg bringt Jamie zum Keuchen. Plötzlich taucht erneut eine Schranke auf, und wieder sind da zerstörte Kameras, die verdreht an den seitlich stehenden Stangen herunterbaumeln. Auch sie arbeiten schon lange nicht mehr, registriert Jane verwundert, obwohl hier doch die Grenze zu Ring 1 sein müsste. Jamie drückt die Schranke einfach hoch.
    Sein lauter Atem überdeckt fast die Worte, die er nun im Takt seiner Schritte ausstößt, wie um sich anzutreiben. Es ist ein harter, archaischer Singsang, dessen Worte Jane nicht versteht, aber der sie froh macht. Wenn sie den Kopf hebt, um sich schaut und schnuppert, fühlt sie sich wie der erste Mensch, die erste Frau. Sie ist glücklich, weil sie nun die anderen seiner Art sehen wird. Und dieses Gefühl scheint sich auf Jamie zu übertragen.
    »Freendyou« , knurrt er liebvoll.
    »Haart« , antwortet sie.
    Jane schließt immer öfter die Augen. Das ständige Schaukeln macht sie schwindlig und müde. Manchmal nickt sie minutenlang ein. Doch dann ist sie wieder hellwach, als Jamie stehen bleibt und fast feierlich sagt: »Wir sind da!«
    Jane rutscht von seinem Rücken. Wie bei ihrer Ankunft im Laos-Labor fühlt sie sich nun, genauso verwirrt. Langsam dreht sie sich einmal im Kreis und schaut sich um. Sie steht auf einer Lichtung zwischen hoch aufragenden Teakbäumen, grau und rissig ist die Borke ihrer dicken Stämme. Einige der Riesen messen sicher dreißig Meter, vor langer Zeit könnte hier eine Holzplantage gewesen sein. Die Laubkronen stoßen über Janes Kopf zusammen, nur wenige Flecken freien Himmels sind zu sehen. Immergrüne kleinere Mangobäume bauen mit am dichten Erdgeschoss des Regenwaldes, sind Teil eines grünen, vielleicht fünfzig Meter langen Ovals, das beide umschließt.
    Jane wartet, blickt um sich, sucht die anderen, seine Familie, die Sippe. Wahrscheinlich beobachten sie die Fremde aus der Ferne, diese Frau mit der hellen Haut und den blonden Haaren. Sie erwartet, dass jeden Augenblick ein Homo erectus aus dem Gestrüpp kommt und sie mit einem lauten heu heu heu begrüßt oder auch sito sito ruft – hier ist unser Ort!
    Aber sie sieht nur Bäume und Büsche, hört Tiergeraschel, Blätter im Wind. Sonst nichts. Erstaunt, ratlos, enttäuscht sieht sie aus. Und während sie so verloren dasteht, tauchen in ihrem Kopf all die Bilder auf, die sich Homo sapiens von seinen Vorfahren gemacht hat. In Fell gewandete düstere Gestalten, die mit Knüppeln oder mit dicken Ästen auf den Boden schlagen. Grunzende Gruppen, die an einem Lagerfeuer schmatzend an Fleischkeulen nagen. Die wie Hunde kopulieren, in Höhlen sitzen, verdreckt, aber mit einem glücklichen Grinsen im Gesicht. Jedes dieser abgeschmackten Klischees zu sehen wäre besser, als gar nichts zu sehen.
    Jane hält es nicht mehr aus und fragt Jamie: »Wo sind die anderen?«
    »Draußen.«
    »Was meinst du mit draußen?«
    »In Welt, überall.«
    »Sie sind weg?«
    »Lange Zeit.«
    Ein bitterer Geschmack breitet sich in Janes Mund aus. Bitter schmeckt die Erkenntnis, dass Lucy-City der Name für etwas ist, das es gar nicht gibt. Sie muss kurz auflachen, es klingt wie ein heiseres Bellen. So trocken ist ihre Kehle, dass jeder Ton schmerzt.
    Auch Jamie schweigt minutenlang.
    »Hier ist nichts?« Wie eine hilflose Frage klingen Janes erste Worte, die sie sogleich lauter wiederholt: »Hier ist nichts, überhaupt nichts!«
    »Hier alles«, widerspricht Jamie heftig. »Und hier frei. Morgen holen uns Freunde.«
    »Welche Freunde?«
    »Draußen sind viele.«
    »Und woher wissen sie, wo wir sind?«
    Jamie greift in seine Hosentasche und zeigt Jane ein Mobiltelefon. So etwas Banales, Alltägliches hat sie nicht erwartet.
    »Und wenn mein Vater uns holen kommt?«
    »Gregor uns nicht finden.« Jamie beobachtet sie.
    Er zeigt stumm auf einen fast zugewachsenen Pfad, der einmal breiter gewesen sein muss. Er geht voraus und sie hinterher, gespannt, wohin er sie führen will.
    Zuerst sieht Jane einige aufeinandergetürmte Steine, alte und neue. Es könnte der Eingang sein zu einem antiken

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