Jane Reloaded - Roman
gegessen haben, brechen sie gen Süden auf, wie Jane am Sonnenstand feststellt.
Sie klettert nur auf seinen Rücken, wenn sie müde wird. Und tatsächlich warten an einer Stelle, wo der Zaun von Ring 2 aufgeschnitten ist, zwei Männer mit Essen und Trinken auf sie.
Die Freunde, die sich als Aisun und Tom vorstellen, sind wie Reisbauern gekleidet, tragen grob gewebte Hosen und Hemden und einen Strohhut. Jane kann ihre Gesichter nicht genau sehen, aber an den Fingernägeln erkennt Jane ihre Art.
»Schön, dass es doch noch ein neues Paar für draußen gibt«, sagt Tom in gutem Global. »Niemand hat mehr damit gerechnet. Kommt, wir müssen uns beeilen!«
»Woher kommen Sie?«, fragt Jane ihre neuen Begleiter. »Und wohin gehen wir?«
»Wenn wir draußen sind, erfahren Sie alles.«
Sie müssen wieder einen sehr langen Weg zurücklegen und auch die halbe Nacht weitergehen. Höchstens vier Stunden könnten sie schlafen, erklärt Aisun. Wenn Jane zu erschöpft ist, wird sie abwechselnd von den drei Männern getragen.
Am nächsten Morgen erreichen sie den Ring 3. Sie sind stetig nach Osten gegangen, immer weiter weg vom Mekong, und Jane ahnt, warum. Damit ihr Vater sie nicht findet, falls er sie sucht.
Sie erinnert sich genau, wie ihr Vater mit weit aufgerissenen Augen ihre Flucht von der Mekong Orcide beobachtet hat. Wie viel größer mag seine Verwunderung gewesen sein, wenn er, wahrscheinlich einen Tag nach ihnen, Ring 1 betrat, überall nach seiner Tochter suchte und nach ihr rief, aber niemanden fand.
Weder Jamie noch seine Tochter, noch die anderen.
Alle waren auf und davon.
10 DRAUSSEN
Wenn Lucy-City ein Nichts ist, dann ist das hier ein Nirgendwo, dachte ich, als nach unserem Zweitagesmarsch endlich eine kleine Siedlung zwischen den Bäumen auftauchte.
Das letzte Stück Weg führte von einem kleinen Hügel, an den sich die ersten Behausungen schmiegten, hinab zu dem Ort. Zwanzig Häuser zählte ich, einige ähnelten meiner Wohnhütte und waren mit Schilf oder Palmblättern gedeckt, andere hatten Dächer aus Wellblech, manche Wände waren aus bunten Kunststoffreklamen zusammengeflickt. Gemüse wurde in Dorfnähe angebaut, Rinder grasten auf kleinen Grasflecken neben den Reisfeldern. Aber nirgends standen moderne Kommunikationsmasten, nirgendwo ein Auto, nur Ochsenkarren.
Dass es so ein Dorf überhaupt noch gibt, wunderte ich mich. Die kleine Siedlung, die sicher in keiner Landkarte verzeichnet war, wirkte wie aus der Zeit gefallen, wie eine Filmkulisse, in der alte Zeiten wieder aufleben sollten. Hühner, Gänse und Enten flatterten herum, lautes Schweinegrunzen war manchmal zu hören, als wir unten zwischen den Häusern ankamen. Bunte Plastikkanister standen vor den Hauseingängen und diese schrecklichen Plastikstühle in Weiß und Gelb. Sie galten schon seit über hundert Jahren als das Globalisierungssymbol schlechthin und waren inzwischen als Anthropozän-Schrott verboten.
»Wir sind am Ziel«, sagten unsere Begleiter und beschleunigten ihre Schritte.
»Wie heißt das hier?«, fragte ich.
Während unseres Marsches hatte ich aufgegeben, unsere Begleiter etwas zu fragen. Denn entweder hatten sie nicht geantwortet oder waren sehr einsilbig gewesen, sagten bestenfalls »später«, »ja« oder »nein« und immer wieder »draußen«. Und auch jetzt hörte ich wieder dieses Wort.
»Draußen«, antwortete Aisun.
»Draußen? Der Ort heißt tatsächlich Draußen?«, fragte ich nach. Beide nickten.
Das kleine Haus, das die Männer uns zeigten, stand wie fast alle hier auf Stelzen, die Tür war geöffnet.
Jamie wurde gleich von Tom fotografiert, der Apparat hatte schon bereitgelegen.
»Wir wollen keine Zeit verlieren«, sagte Tom, der danach sofort verschwand. In ein bis zwei Wochen schon sollte Jamies Ausweis fertig sein. Ich besaß zum Glück meine ID noch, da ich sie auf jeder Reise ständig bei mir trug, auch auf der Mekong Orcide.
Nun führte Aisun uns herum. Er zeigte uns die Vorratskammer und öffnete den Schrank, in dem frische Kleidung lag, einfache Hosen und Hemden, wie sie auch im Laos-Labor getragen wurden. Die Wasserstelle befand sich im Garten. Aisun redete nicht viel, aber ich fühlte mich in guten Händen.
»Wir haben das schon viele Male gemacht«, sagte er. »Und hier hilft euch jeder. Keine Angst.«
»Sind alle, die hier wohnen, aus dem Labor gekommen?«
»Nur die Hälfte.«
»Wie lange seid ihr schon draußen, du und Tom?«, fragte ich nach.
»Tom zwanzig Jahre und ich zwei
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